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Schumacher, Jens - Deep

Schumacher, Jens - Deep

Titel: Schumacher, Jens - Deep Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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zurück, ohne aufzusehen.
    »Was kann das sein?«
    Ein meckerndes Lachen drang aus den Lautsprechern seines Helms. »Das sind Strieglers Soldaten, du Vollpfosten. Der Chef hat uns doch vorgewarnt, dass sie extrem aufgekratzt sein könnten nach all den Jahrzehnten. Deswegen sollen wir uns ja sofort zurückziehen, sobald die Luke offen ist.« Er wandte Henry das Frontfenster seines Helms zu. »Hast du das etwa vergessen?«
    »Natürlich nicht«, beeilte sich Henry zu sagen. Plötzlich war er heilfroh, dass er den Polfilter seiner Helmvisiere aktiviert hatte. Ein frontaler Blick durch das ungetönte Glas hätte Ottenthal spätestens in diesem Augenblick offenbart, dass ein Fremder in Stockers Montur steckte. Angesichts der grellen Flamme des Schweißgeräts waren die verdunkelten Scheiben glücklicherweise nicht weiter verdächtig.
    Henry war fassungslos. Konnte der Mann wirklich so dumm sein? Oder hatte Hauschildts fürstliche Bezahlung seinen Verstand getrübt? Dass die Schläge unter ihren Füßen viel zu wuchtig waren, um von irgendetwas auch nur entfernt Menschenähnlichem erzeugt zu werden, hätte selbst ein Grundschüler durchschaut.
    Ottenthal tat dies offenbar nicht.
    Henry zwang sich, ruhig zu bleiben, keine leichte Aufgabe unter den gegebenen Bedingungen. In wenigen Augenblicken würde sein Begleiter mit dem Schweißen beginnen. Nervös checkte Henry die Zeitanzeige im Innern seines Helms: 23 Uhr 38. Irgendwie musste er verhindern, dass Ottenthal die Luke öffnete, zumindest für die nächste halbe Stunde. Er musste aktiv werden!
    Henry hob einen Stiefel, um einen Schritt auf Ottenthal zuzutreten, doch er wurde mit einem Ruck zurückgehalten. Verwirrt stellte er fest, dass er sich nicht vorwärtsbewegen konnte. Irgendetwas hielt ihn von hinten fest.
    Er wollte sich gerade mit Gewalt nach vorn werfen, um sich von dem unerklärlichen Widerstand zu befreien, als Ottenthal auf seine Bemühungen aufmerksam wurde. »Vorsicht!«, gellte seine Stimme aus den Helmlautsprechern. »Deine Nabelschnur hat sich am Fuß der Leiter verheddert. Wenn du weiter so zerrst, wird sie abreißen. Dann sitzt du ohne Licht und Heizung in deiner Rüstung fest.«
    Henry gefror in der Bewegung. Die Nabelschnur – das Kabel, welches sie mit dem Habitat verband – versorgte alle Systeme des Siegfried mit Energie: Scheinwerfer, Heizung, Funkgerät, die Manipulatoren sowie die Steuerung der Sauerstoffzufuhr. Sollte die Verbindung unterbrochen werden, würde Henry in seinem Anzug ersticken, bevor er in die sichere Station zurückkehren konnte.
    So behutsam es ihm möglich war, drehte er sich in dem klobigen Anzug zur Seite. Ottenthal hatte recht. Henrys Kabel hatte rund zwei Meter unter ihm, auf dem Hauptdeck, eine Schlaufe gebildet. Beim Versuch, auf seinen Begleiter zuzugehen, hatte sie sich um das untere Ende der Leiter gewickelt und zusammengezogen.
    Er musste hinabklettern und das Kabel freimachen, sonst waren ihm auf dem Turm die Hände gebunden.
    »Ich geh runter«, grunzte er in sein Helmmikro, dann schob er sich rückwärts an die Leiter und begann mit dem Abstieg.
    Das Klettern schien sich endlos hinzuziehen. Auf halber Höhe des Turmes spürte Henry, wie er vor Ungeduld zu zittern begann. Der plumpe Anzug verlangsamte jede seiner Bewegungen, außerdem musste er ständig darauf achten, dass sich das Kabel nicht spannte oder weiter verhedderte.
    Als er auf dem Hauptdeck ankam, war er von Neuem schweißgebadet.
    Das Kabel loszumachen, bereitete ihm keine Mühe. Henry hatte die Steuerung der Manipulatoren mittlerweile so gut verinnerlicht, dass die Greifer exakt seinen Befehlen folgten. Rasch lag die Nabelschnur wieder in einer geraden Linie hinter ihm auf dem verkrusteten Stahl.
    Henry wollte den Turm gerade wieder hinaufsteigen, als sein Blick auf zwei Bullaugenfenster in dessen Seitenwand fiel, die ihm zuvor gar nicht aufgefallen waren. Sie waren geringfügig kleiner als die in der Flanke des Tauchboots – und hinter einem davon klebte ein weißer, ovaler Umriss.
    Geistesgegenwärtig schaltete Henry seine Helmscheinwerfer aus. Er wusste nicht, ob das, was da auf der Innenseite des Glases saß, so etwas wie optische Sinnesorgane besaß, aber er wollte nichts riskieren. Diese Gelegenheit, sich das Geschöpf aus der Nähe anzusehen, würde er sich nicht entgehen lassen!
    Mit zwei watschelnden Schritten war er vor dem Fenster. Das weiße Ding hockte noch immer dort, im diesigen Licht kaum mehr als ein Fleck helleren Zwielichts

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