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Schumacher, Jens - Deep

Schumacher, Jens - Deep

Titel: Schumacher, Jens - Deep Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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lassen.
    Der Laut wiederholte sich nicht. Dafür setzte Sekunden später ein besorgniserregendes Quietschen ein, als kratzte jemand mit einer riesigen Grillgabel über nacktes Metall.
    »Wir sinken mit zehn bis fünfzehn Metern pro Minute«, verkündete McKenzie aus der Kanzel. »Das ist nicht schnell, aber so hat der Rumpf Gelegenheit, sich an den wachsenden Druck anzupassen.«
    Wie aufs Stichwort erklang ein helles Kreischen, das rasch lauter wurde. Als es endlich wieder nachließ, drang an seiner Stelle ein Rasseln aus dem Boden unter ihren Füßen, als regneten eiserne Kettenglieder auf die Außenhülle herab.
    Im dämmriger werdenden Licht, das durchs Frontfenster fiel, wirkte Beccas Gesicht mit einem Mal auffallend blass. »Diese Geräusche …«
    »Sind ganz normal, keine Angst«, gab McKenzie im Brustton der Überzeugung zurück. »Der Druckkörper der Ki’tenge besteht aus achtzehn Millimeter dickem Stahl. Ich war mit diesem Baby schon auf fünfhundert Metern, ohne die geringsten Probleme.«
    »Irgendwann ist immer das erste Mal«, murmelte Becca. Um sich abzulenken, ließ sie ihren Blick über die flackernden Instrumente ringsum schweifen. »Ein Glück, dass ich keine Platzangst habe.«
    »Oh, richtig. Das hätte ich fast vergessen.« Der Meeresbiologe streckte einen Arm aus und schaltete ein Gerät ein, das wie ein Autoradio aussah. Sogleich drang getragene Klaviermusik aus mehreren kleinen Lautsprechern an der Decke.
    »Bach?«, erkundigte sich Henrys Vater verdutzt.
    »Chopin. Walzer Nummer sieben in cis-Moll.« McKenzie grinste breit. »Akustischer Balsam für die Nerven. Habe ich immer dabei, seit mir vor ein paar Jahren ein Kollege von der Universität San Diego in dreihundertfünfzig Metern Tiefe durchgedreht ist. Der Kerl litt unter Klaustrophobie und hielt es nicht für notwendig, mir das vorher zu sagen.« Er schüttelte den Kopf und seufzte. »Er war ein Bär von einem Mann. Mein Assistent musste ihn k. o. schlagen, sonst hätte er die gesamte Inneneinrichtung demoliert.« An Becca gewandt, fügte er hinzu: »Fühlst du dich schon besser?«
    Eine Folge krachender Schläge aus dem Heck übertönte die Musik endlose Sekunden lang. Becca zwang sich zu einem Lächeln. »Nicht ganz mein Geschmack. Haben Sie zufällig was von Metallica in ihrem Player?«
    »Ich fürchte, nein«, erwiderte McKenzie kopfschüttelnd.
    »Dann vielleicht ein bisschen Licht? Wäre schön, wenn man hier unten allmählich wieder etwas sehen könnte.«
    Das fand Henry ebenfalls. Was mittlerweile noch an Helligkeit durch das Frontfenster und die gläserne Einstiegsluke hereinfiel, war kaum mehr als ein bläulich-dämmriges Zwielicht. Bis auf das sanfte Glühen der Digitalanzeigen war es stockfinster um sie herum.
    »Verdammt, natürlich.« McKenzie betätigte einen Schalter. Rings um die gewölbte Scheibe flammten starke Scheinwerfer auf. Myriaden tanzender Schwebeteilchen wurden sichtbar, große und kleine Fische huschten hektisch davon, flohen vor dem ungewohnten Lichtschein.
    »Wow!« Henry konnte nicht anders, er musste aufstehen und nach vorn gehen. McKenzie rutschte beiseite, damit er sich dicht vor die Glaskuppel beugen und hinaussehen konnte.
    Die nach außen gewölbte Scheibe ermöglichte einen Rundblick von nahezu hundertachtzig Grad. Henry kam es beinahe vor, als schwimme er frei im Wasser. Ein Schwärm kleiner, silbriger Fische glitt vorüber und änderte mehrfach völlig synchron die Richtung, um dem Licht der Scheinwerfer zu entgehen. Riesige Ansammlungen schwärzlicher Hochseealgen trieben ziellos durchs Wasser. Irgendwo am Rand des Lichtkreises glaubte Henry, einen großen, stromlinienförmigen Umriss zu erahnen, möglicherweise ein Hai. Als er genauer hinsah, war nichts mehr zu erkennen.
    »Sechzig Meter«, verkündete McKenzie neben ihm.
    Das war tiefer, als Henry je mit Flossen und Sauerstoffflasche getaucht war. »Stark«, murmelte er und legte vorsichtig eine Hand an das gewölbte Glas. Die Scheibe war eiskalt. Rasch zog er die Hand wieder weg.
    »Keine Panik«, beruhigte ihn McKenzie. »Das Acrylglas ist dicker als dein Unterarm. Hält todsicher.«
    »Ich will auch!« Becca schob sich zwischen Henry und den Pilotensessel, um ebenfalls einen Blick nach draußen zu werfen. Kurz blieb Henry, wo er war, genoss ihre Nähe, dann machte er Platz und kehrte auf seinen Sitz zurück.
    Das Summen ringsum veränderte sich jetzt. Es wurde höher und durchdringender. Gleichzeitig senkte sich die Nase des Tauchboots nach

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