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Schumacher, Jens - Deep

Schumacher, Jens - Deep

Titel: Schumacher, Jens - Deep Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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ihm mit einem vorsichtigen Lächeln antwortete.
    »Angesichts von so viel Hightech hätte ich erwartet, hier eine Heizung vorzufinden«, beschwerte sich Becca. Sie hockte mit angezogenen Beinen auf ihrem Sitz, die Arme um Knie und Oberkörper geschlungen. Henry konnte die Gänsehaut auf ihren Armen deutlich erkennen.
    »Leider scheint man die bei der Konstruktion vergessen zu haben.«
    McKenzie justierte mit dem Steuerhebel seelenruhig den Kurs, dann schüttelte er den Kopf. »Volle Absicht, junge Dame. Sämtliche Systeme an Bord werden mit Elektromotoren betrieben. Um Energie zu sparen und die Tauchzeit zu maximieren, gibt es außer der Umwälzanlage für die Atemluft keine Klimatisierung.«
    »Aber es ist saukalt!« Becca klapperte demonstrativ mit den Zähnen. »Das Wasser ringsum kann doch höchstens noch ein Grad über null haben.«
    »Humbug. Solche Temperaturen gibt es nur in der Tiefsee. Die Durchschnittstemperatur unserer Ozeane liegt bei vier Grad.« McKenzie deutete auf eine Anzeige über seinem Kopf. »Hier, in dreihundertsechzig Metern Tiefe, herrschen momentan behagliche sieben Komma zwei Grad. Wie auch immer, für empfindliche Passagiere gibt es in den Schubfächern unter euren Sitzen Jacken und Pullover.«
    Zwei Minuten später hatten sowohl Henry als auch sein Vater blaue Stoffjacken mit Mokele-Logo übergezogen, Becca hatte sich in drei viel zu große Sweatshirts gehüllt.
    »Tiefe: dreihundertneunzig, fallend.« McKenzie schaltete ein neues Gerät hinzu, das ein rhythmisch wiederkehrendes Piepsen ausstieß. Henry kannte es, es war ein Echolot, das anhand von Laufzeitmessungen ausgesandter Signale die Tiefe des Meeresbodens ermittelte.
    »Bodenkontakt in dreiundzwanzig.« McKenzie überprüfte die Koordinaten des GPS-Geräts und justierte mit mehreren kleinen Joysticks die Scheinwerfer, sodass sie einen breiteren Bereich vor dem Bug des Bootes erfassten.
    Durch wirbelnde Schleier von Kleinstlebewesen kam, rund zwanzig Meter unter ihnen, eine unwirkliche Mondlandschaft in Sicht. Der Untergrund war felsig und karg, die vorherrschende Farbe Grau, auch dort, wo Flechten, Algen und Muschelkolonien den Boden überwuchert hatten.
    »Laut Ortungssystem sind wir jetzt dort, wo wir hinwollten«, verkündete McKenzie. »Theoretisch müssten wir allmählich …«
    »Da!« Becca sprang auf und eilte nach vorn.
    Henry tat es ihr gleich. Als er sah, worauf ihr bebender Zeigefinger deutete, stieß er ein überraschtes Keuchen aus.
    Sie hatten das U-Boot gefunden.

20
     
    16 SEEMEILEN VOR DER SÜDKÜSTE JAVAS,
    27. SEPTEMBER 2013
     
    Die U-196 war riesig, nicht nur in Relation zur eher geringen Größe ihres Tauchboots. Erst jetzt wurde Henry klar, was für ein Koloss ein U-Boot von beinahe hundert Metern Länge wirklich war. Der stromlinienförmige Rumpf schien sich endlos hinzuziehen, starr und mächtig und grau wie ein unvorstellbar großer, toter Wal.
    Die Ki’tenge näherte sich dem Wrack von achtern. Mit minimaler Geschwindigkeit und beinahe lautlos glitten sie an dem von Algen und Muscheln überkrusteten Rumpf entlang.
    Wie McKenzie vermutet hatte, wies der Boden rings um das Wrack ein Gefälle auf. Der Hang war allerdings nicht sonderlich steil, nur auf der Backbordseite der U-196 stieg der Grund merklich an.
    »Der Druckkörper sieht unbeschädigt aus.« Die Stimme des Ozeanologen klang angespannt. Mit sichtbarer Konzentration hielt er den Kurs, ließ den Abstand zwischen Tauchboot und Wrack nie unter zehn Meter schrumpfen.
    »Warum bringen Sie uns nicht näher ran?«, wollte Becca wissen.
    »Ich muss erst sichergehen, dass es in der Nähe keine gefährlichen Strömungen gibt, die uns gegen den Rumpf drücken könnten. Sobald ich das ausschließen kann, gehe ich dichter.«
    Ehrfürchtig starrte Henry zu dem Giganten aus Stahl hinaus. Ihm fiel auf, dass Robbies Vater in einem weiteren Punkt die Wahrheit gesagt hatte: Die U-196 steckte auf ganzer Länge mehrere Meter tief in einem gezackten Riss im Boden. Die Schlucht, oder was es sonst war, schien etwas kürzer zu sein als das Schiff selbst, weswegen der Bug schräg in die Höhe ragte.
    »Sonderbar.« Henrys Vater beugte sich vor, bis seine Nase fast das kalte Glas der Frontscheibe berührte. »Das Schiff scheint die Schlucht vollständig auszufüllen.«
    McKenzie deutete auf die Backbordseite des Wracks. »Seht ihr das? Auf der hangwärts gelegenen Seite? Felsen und Korallen sind platt gewalzt und zermalmt, der Algenbewuchs ist abgeschabt und noch nicht

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