Schumacher, Jens - Deep
»Hauptsache, wir kommen hier weg! Ich bleibe keine Minute länger mit einem wahnsinnigen Professor und seinem mörderischen Handlanger in diesem Unterwassergefängnis.«
Sie erreichten eine weitere Gangbiegung. Dr. Dettweiler blieb stehen und warf einen vorsichtigen Blick um die Ecke. Als sie sicher war, dass sich im angrenzenden Flur niemand aufhielt, umrundete sie die Kehre, gefolgt von Henry und den anderen.
Die Tür eines Aufzugs kam in Sicht.
»Wäre es nicht klüger, sich mit den restlichen Mitgliedern des akademischen Teams kurzzuschließen?«, schlug Henry vor. »Ihr Veilchen ist ein handfester Beweis für Krolls kriminelles Verhalten. Und einige der Wissenschaftler haben doch gewiss ebenfalls Zweifel am Ziel dieser Mission. Oder etwa nicht?«
Susann Dettweiler schüttelte den Kopf. »Ich habe längst versucht, mit den anderen zu reden und Gleichgesinnte zu finden. Unglücklicherweise hat Hauschildt mit der ersten Fuhre nur diejenigen Wissenschaftler mit nach unten genommen, die nach ihrem Tauchgang zur U-196 seine Begeisterung teilten.«
Sie hatte die Aufzugstür erreicht und drückte den Rufknopf. »Was meine Kollegen fatalerweise fasziniert, ist, dass ein paar von Hauschildts Überlegungen, wissenschaftlich betrachtet, recht interessant sind. Ich meine vor allem den Teil mit der Stimulation der Zirbeldrüse.« Als sie die ratlosen Gesichter der Umstehenden bemerkte, fuhr sie fort: »Man weiß schon länger, dass der Alterungsprozess des Menschen nicht genetisch veranlagt ist. Was uns zum Altern und in letzter Instanz zum Sterben bringt, sind, ganz platt gesagt, normale Abnutzungserscheinungen, denen unsere Zellen, unsere DNA, unser Gewebe und unsere Organe mit jedem Atemzug ausgesetzt sind. Genetisch betrachtet tickt aber keine Uhr, die dafür sorgt, dass unsere Zeit irgendwann abgelaufen ist.«
Die Tür öffnete sich und gab den Blick frei auf eine leere Aufzugskabine. Sie stiegen ein.
»Wollen Sie damit andeuten, die Idee eines unsterblichen Menschen sei möglicherweise gar nicht so abwegig?«, hakte Becca nach, als sich die Tür hinter ihnen schloss.
»Ich versuche, Ihnen die Motivation meiner Kollegen klarzumachen.« Dr. Dettweiler betätigte den Knopf für die unterste Ebene, das F-Deck. Ein sanfter Ruck fuhr durch die Kabine und sie glitten abwärts. »Seit den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts haben Neurowissenschaftler einige spektakuläre Erkenntnisse gewonnen. Sie verpflanzten Gewebematerial aus den Zirbeldrüsen jüngerer Mäuse in ältere Tiere und umgekehrt. Die älteren Tiere wirkten daraufhin schon bald jünger und agiler, sie lebten länger, während die eigentlich jungen Mäuse immer träger wurden und starben. Bei der Autopsie zeigte sich, dass viele Organe der älteren Tiere deutlich verjüngt wirkten, wie nach einer Frischzellenkur für das gesamte System. Die Zirbeldrüse scheint demnach in einem direkten Zusammenhang mit der Geschwindigkeit unseres Zellverfalls zu stehen.«
»Verstehe.« McKenzie, der den Ausführungen der Genetikerin aufmerksam gefolgt war, kratzte sich am Kopf. »Aber Ihren Kollegen muss doch klar sein, dass es zur Zeit des Zweiten Weltkriegs noch keine wirksame Methode zur Verlängerung des Lebens gegeben haben konnte?«
Dr. Dettweiler zuckte mit den Schultern. »Vergessen Sie nicht die immensen Summen, die der Professor zahlt. Ein Großteil meiner Kollegen ist bereit, alles, was Hauschildts Taucher ans Tageslicht befördern, für ihn zu untersuchen, zu analysieren und im Bedarfsfall zu reproduzieren.«
»Was hat Hauschildt mit den angeblichen Überlebenden vor, sobald er sie aus dem U-Boot geborgen hat?«, wiederholte Dr. Wilkins die Frage, die sie sich bereits in der Zelle gestellt hatten.
»Das hat er Ihnen nicht gesagt?« Susann Dettweiler klang überrascht. »Er plant, Strieglers Erfindung militärisch zu nutzen. In Zeiten steigender Terrorgefahr sei die Sicherheit der Bevölkerung nur durch massive Aufrüstung und stehende Heere zu gewährleisten. Ausgehend von Strieglers Methode sollen seine Wissenschaftler einen extrem widerstandsfähigen Supersoldaten schaffen. Einen nahezu unbesiegbaren Krieger, den man statt menschlicher Soldaten aufs Schlachtfeld schicken kann und der den Ausgang aller künftigen Kriege entscheiden soll.«
Der Lift hielt, und Henry und die anderen bereiteten sich darauf vor, dass die Kabine sich öffnete. Nur Gordon McKenzie rührte sich nicht. »Ich muss mich korrigieren«, murmelte er, an niemand Bestimmten
Weitere Kostenlose Bücher