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Schumacher, Jens - Deep

Schumacher, Jens - Deep

Titel: Schumacher, Jens - Deep Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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benachbarten Raum auf. Sie waren an zwei klobigen, gut zweieinhalb Meter hohen Objekten zugange, die an Ketten von der Decke baumelten. Die Gebilde hatten eine Oberfläche aus weiß lackiertem Metall und erinnerten an Astronautenanzüge. Arme und Beine bestanden aus kugelförmigen Segmenten, die nach hinten geklappten stählernen Helme waren mit runden Sichtfenstern versehen.
    Ein kleiner, drahtiger Mann, nackt bis auf eine schwarze Badehose und ein Unterhemd, stieg gerade über eine Trittleiter zur Öffnung des linken Anzugs hinauf. Er war in einer leichten Schräglage aufgehängt, um den Einstieg zu erleichtern. Der Mann packte die Kette, zog sich daran hoch und ließ die angewinkelten Beine im Anzug verschwinden. Nachdem er bis zu den Schultern in die groteske Rüstung hineingerutscht war, machten sich zwei Techniker in schwarzen Overalls daran, den Helm zu schließen.
    »Hartanzüge«, flüsterte McKenzie aus seiner Deckung hinter einer Werkzeugkiste. »Modell Jim, wie es aussieht.«
    Henry nickte unwillkürlich. Über diese spezielle Art zu tauchen hatte er schon viel gelesen. Mithilfe starrer Metallanzüge konnten Taucher in Tiefen von bis zu sechshundert Metern vordringen. Im Innern blieb der normale Oberflächendruck erhalten, sodass man sich bei der Rückkehr an die Oberfläche den langwierigen Dekompressionsprozess sparen konnte, der beim Tauchen mit Luftflaschen notwendig wurde. Wie beim Flaschentauchen führte der Taucher seine Atemluft selbst mit, in einem Tank auf der Rückseite des Anzugs. Über ein Kabel wurden die elektrischen Systeme im Innern mit Energie versorgt, darunter eine Heizung sowie ein Interkom, mit dem der Kontakt zur Außenwelt gehalten wurde.
    Das Tauchen im Hartanzug hatte Henry schon immer fasziniert. Es ermöglichte ein Vordringen in Tiefen, die üblicherweise Tauchbooten vorbehalten waren. Andererseits war es kaum mit dem normalen Tauchen zu vergleichen. Um dem Wasserdruck in der Tiefe zu widerstehen, waren Hartanzüge plumpe, nahezu unbewegliche Rüstungen. Die Interaktion mit der Umwelt war lediglich über zwei Manipulatoren möglich, elektrisch gesteuerte Greifer am Ende der klobigen Arme.
    Aus dem Augenwinkel nahm Henry wahr, wie Dr. Dettweiler hinter einer Tonne voller Stahlrohre den Kopf schüttelte. »Kein Jim Suit, Dr. McKenzie«, widersprach sie. »Professor Hauschildt würde sich nie mit Equipment zufriedengeben, das in den Siebzigern entwickelt wurde.«
    Die Männer in Schwarz hatten den Helm geschlossen und begannen, ihn mithilfe komplizierter Verriegelungssysteme hermetisch zu verschließen.
    »Dieses Modell, Siegfried getauft, ist eine moderne Weiterentwicklung des klassischen Hartanzug-Konzepts«, erklärte Dr. Dettweiler flüsternd. »Er ist mehrere Zentner leichter als der alte Jim. Das hat den Vorteil, dass Taucher sich darin auch außerhalb des Wassers aus eigener Kraft bewegen können … sehen Sie!«
    Die Männer ließen den Anzug zu Boden und stützten den Taucher bei seinen ersten, schwerfälligen Schritten. Henry sah, wie der Mann im Innern probehalber die Manipulatoren kreisen ließ, sie öffnete und schloss. Dann machte er sich in Begleitung eines der Schwarzgekleideten auf den Weg zu einem runden Stahlschott in der gegenüberliegenden Wand. Der vierte Mann, ein gedrungener, durchtrainierter Bursche, begann, seine Kleidung abzulegen.
    »Ich nehme an, dort geht es zur Schleusenkammer?«, erkundigte sich Dr. Wilkins, nachdem sich die oberschenkeldicke Stahlluke hinter dem Taucher und seinem Begleiter geschlossen hatte.
    Susann Dettweiler nickte.
    Der zweite Taucher hatte sich bis auf die Unterwäsche entkleidet. Sein Kollege im Overall schob die Trittleiter neben den verbliebenen Hartanzug, damit er hineinklettern konnte.
    In diesem Moment verließ Henrys Vater seine Deckung. Er trat zu einer der Werkbänke, schnappte sich einen schweren Schraubenschlüssel und wandte sich mit eisiger Miene der Tür zu, die in den Nachbarraum führte.
    McKenzie folgte ihm unaufgefordert und bewaffnete sich mit einem dicken Stahlrohr.
    »Was haben Sie vor?«, wollte Dr. Dettweiler wissen.
    »Ich fürchte, wir werden ein gegebenes Versprechen brechen müssen.« Dr. Wilkins bedeutete Henry und Becca, ihm zu folgen.
    »Was meinen Sie?« Die Wissenschaftlerin kam unsicher aus ihrer Deckung hervor.
    »Leider erlaubt es uns die Situation nicht länger, auf die körperliche Unversehrtheit dieser Männer Rücksicht zu nehmen.«
    Damit öffnete er die Tür.

30
     
    UNTERWASSERHABITAT

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