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Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Titel: Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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ihn lebend wiedersehen würde!
    Henry lag noch lange wach, nachdem der Professor sanft zu schnarchen begonnen hatte.

3
     
    McMURDO, 05. APRIL 2013
     
    »Das war für den Anfang gar nicht schlecht, Henry: eine knappe Stunde.« Dr. Golitzins Gesicht – das, was hinter der Schutzbrille, eingerahmt von einer dick gepolsterten Kapuze, davon zu erkennen war – verzog sich anerkennend. »Aber wenn wir erst dort draußen sind, muss das noch viel schneller gehen. Sollte ein Sturm aufziehen, nimmt er keine Rücksicht darauf, ob dein Zelt steht oder nicht. Und in einem antarktischen Sturm ist ein sachkundig verankertes Iso-Zelt mit funktionierendem Heizbrenner der einzige Ort, wo ein Mensch zumindest eine gewisse Überlebenschance hat.«
    Henry nickte ergeben. Er war zu erschöpft, um etwas zu erwidern. Davon abgesehen war ihm klar, dass der Polarexperte recht hatte. Aber eines der knallgelben Expeditionszelte aufzubauen -auf sich allein gestellt, mit dicken Thermohandschuhen an den Händen –, war alles andere als ein Kinderspiel. Erst recht, wenn man es noch nie zuvor gemacht hatte.
    Ein rascher Blick in die Runde möbelte Henrys angekratztes Selbstbewusstsein rasch wieder auf: Eileen, die wie er an einem Einmannzelt arbeitete, verspannte eben die Außenhülle des pyramidenförmigen Gebildes, und im Gegensatz zu ihm hatte sie auch die äußeren Zeltlappen noch nicht in den Schnee eingegraben. Professor Albrecht, der sein Glück ein Stück weiter gemeinsam mit Dr. Lamont an einem Zweimann-Modell versuchte, war offenbar gerade erst mit dem Aufbau des Innenskeletts fertig geworden. Nun standen er und der Mediziner ratlos über den beiden riesigen Planen, die Innen- und Außenhaut des Zelts bilden sollten. Mit einem ungeduldigen Grunzen stapfte Golitzin zu ihnen hinüber.
    Sie befanden sich ein gutes Stück außerhalb der McMurdo-Anlage, am Fuß eines großen, schneebedeckten Hügels. Wie Henry früh am Morgen gelernt hatte, hieß er Observation Hill. Auf seiner Spitze thronte weithin sichtbar ein riesiges Holzkreuz.
    Die Nacht war alles andere als erholsam gewesen. Als Henry endlich Schlaf gefunden hatte, war er prompt von Albträumen heimgesucht worden: In einem davon sah er seinen Vater, wie er an Bord eines pechschwarzen SnoCat über eine endlose weiße Ebene fuhr.
    Es war unnatürlich still, nicht einmal das Motorengeräusch war zu hören. Die Ahnung einer schrecklichen Katastrophe hing greifbar dicht in der Luft. Henry wollte seinem Vater etwas zurufen, ihm entgegenlaufen, doch er war unfähig, einen Ton von sich zu geben, geschweige denn, sich zu bewegen. Scheinbar stundenlang musste er untätig zusehen, wie sein Vater durch die endlose Einöde tuckerte, ohne sich ihm wirklich zu nähern.
    Dann durchschnitt unvermittelt ein grässliches, berstendes Geräusch die Stille.
    Das Eis unter den Laufketten des Gefährts brach, und binnen weniger Augenblicke hatte das Weiß den SnoCat verschluckt -ihn und Donald Wilkins! Schwarze Wogen schwappten aus der Tiefe zwischen den gezackten Schollen empor und breiteten sich über das Eis hinweg aus, als wollten sie jeden Beweis tilgen, dass Henrys Vater je existiert hatte. Drei oder vier besonders dunkle Ströme ringelten sich mit grässlicher Zielstrebigkeit über die weiße Fläche dahin – tastend, suchend, getrieben von einem jahrmillionenalten Hunger. Voller Entsetzen wurde Henry klar, dass es sich um Fangarme handelte – schwarze, von Tang und Muscheln bedeckte Tentakel eines unermesslich großen Geschöpfs, das die ganze Zeit unter der Eisdecke gesessen und auf seinen Vater gewartet haben musste.
    Just in diesem Moment zuckten die Schlangenarme in seine Richtung. Das Monstrum hatte seine Witterung aufgenommen!
    Mit einem Schrei fuhr Henry aus dem Schlaf hoch. Sein Herz pochte wie verrückt.
    Der Traum war natürlich blanker Unsinn gewesen, versuchte er sich zu beruhigen. Auch ohne Professor Albrechts Buch gelesen zu haben, wusste Henry, dass sich unter dem antarktischen Eis -anders als in der nördlichen Polarregion – kein Wasser befand, sondern festes Land. Man konnte also gar nicht ins Eis einbrechen. Und erst recht gab es darunter keine riesenhaften, krakenartigen Ungeheuer!
    Dennoch hatte die absurde Szene ihn mitgenommen. Es dauerte ewig, bis sich sein hämmernder Herzschlag so weit beruhigt hatte, dass er von Neuem in einen unruhigen, diesmal traumlosen Schlaf fiel.
    Am Morgen hatte Dr. Golitzin sie in aller Frühe geweckt. Henry vermutete, dass sie so zeitig wie

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