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Schussfahrt

Schussfahrt

Titel: Schussfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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ganz sanft.
    »Dafür, dass sie es
beide gewesen sein könnten. Dafür, dass ich mir immer die falschen Männer
aussuche. Dafür, dass …«
    »Wer kann was
gewesen sein?« Andrea war noch immer sehr sanft.
    »Das ist jetzt alles
viel zu kompliziert, und eigentlich darf ich gar nichts erzählen, weil die
Polizei …«
    »Bist du in
Schwierigkeiten mit den Bullen, dreimal gequirlte Hühnerkacke?«
    »Nein, ich nicht,
aber die beiden. Aber ich kann dir das jetzt nicht alles erzählen.« Jo fasste
sich langsam wieder.
    Es entstand eine
kleine Pause, und dann sagte Andrea eindringlich: »Ich kapier nicht so genau,
was bei dir gerade abgeht. Ich frag auch gar nicht. Versuche herauszufinden,
wie du da hingekommen bist, wo du jetzt kämpfst und strampelst! Und von dem
Punkt aus kannst du mit den Aufräumarbeiten beginnen. Ja?«
    Jo schniefte leicht.
»Ja, Psychotante. Irgendwo wird sich schon noch ein Funke Vernunft finden
lassen. Danke, dass du mich mit ausgelutschten, populären Thesen verschonst.«
    »Och, ich könnte dir
ein Buch über ›Tendenzen des Masochismus im Weiblichen‹ empfehlen. Ich muss
gerade einen Vortrag darüber erarbeiten. Du wirst dich laufend wiedererkennen,
dich in der Gewissheit suhlen können, dass es anderen auch so geht, und helfen
wird es dir trotzdem nicht. Aber dem Verlag hilft’s.«
    Unter Schniefen
musste Jo lachen, Andreas Pragmatik war noch immer die beste Medizin.
»Glücklich durch Makramee, Euphorie durch Trennkost, Selbstfindung durch Reiki
– so was meinst du?«
    Andrea gluckste
jetzt auch. »Reiki ist gut. Ein ordentliches Glas Raki wäre wahrscheinlich
besser. Hast du Raki?«
    »Du Raki saufende
Kreuzbergerin. Ich hab doch keinen Raki.«
    »Na denn, du
italophile Südbayerin, dann nimm Grappa, hilft auch. Und dann schwing dich auf
einen deiner wilden Mustangs. Die haben noch immer stabilisierend auf deine
Psyche gewirkt. Ich weiß zwar nicht, wieso Kreaturen, die höllisch stinken und
nur Mist produzieren, beruhigend sind, aber bitte!«
    »Stadtmenschin! Du
der Natur Entwurzelte! Was weißt du schon über die Kreatur«, grinste Jo.
    »Nichts – zugegeben,
aber diese stinkenden Vierbeiner haben bei dir ungefähr das Ansehen, das einer
bei mir erwerben würde, der die kalorienfreie Schokolode erfände.«
    Nun musste Jo
wirklich lachen. Andrea auch. »Geht’s wieder?«
    »Ja, ich pack das
schon. Ich werde mich mal zum Punkt X begeben und dann, wie du sagst, mit den Aufräumarbeiten
beginnen. Danke.«
    »Oh, bitte. Du
kannst jeder Zeit anrufen. Ich hab eine neue Flasche Raki daheim, wenn du meine
Nerven weiter strapazieren willst.«
    »Kreuzberger-Underground-Schlampe!«
    »Gesunde-Luft-Landei!«
    Jo legte auf und
lachte. Andreas Mentalität hätte sie gern gehabt, aber sie hatte immerhin deren
gute Ratschläge. Und Recht hatte Andrea natürlich auch, es hatte wenig Sinn,
das Haus beim Dach zu beginnen. Vernünftige Strukturen entstanden nun mal bloß,
wenn man Stein für Stein vorging. Das mit den vernünftigen Strukturen, das war
ihr momentan etwas flöten gegangen, dachte Jo. Und wo war nun der neuralgische
Punkt X? Sie wusste es eigentlich: Sie musste Gewissheit haben, ob Martl ein
Mörder war. Sie folgte Andreas Rat und schenkte sich einen Grappa ein – und das
mittags um ein Uhr! Ruhe bewahren, nachdenken, sagte sich Jo. Wo konnte Martl
sein? Oder wer konnte wissen, wo er steckte?
    Wenn es stimmte,
dass Katja nichts wusste – und Jo war geneigt, das zu glauben, denn Katja hatte
selten eine Ahnung vom Treiben ihres exklusiven Ehemanns –, zu wem sonst hatte
Martl so was wie Vertrauen? Wen gab es, dem er seine ganz private Seite
offenbarte, nicht nur die des stets kontrollierten Medienprofis, des
strahlenden und gefeierten Helden?
    Jo dachte nach und
ließ die kurzen heftigen Zusammentreffen vor ihrem inneren Auge ablaufen. Hatte
er denn wirklich nie etwas gesagt? Doch einmal!
    Sie hatten mal
wieder einen »one-hour-stand« in einem schaurig hässlichen Zimmer in Gröden
hinter sich. Das Zimmer war in Braun-Orange gehalten – aller Anti-Charme der
siebziger Jahre war in diesem Raum vereint. Die Neonröhre hinter dem Bett hätte
auch in eine Bahnhofswartehalle gepasst, und doch erschien ihr diese knappe
Stunde wie in ein weiches, sanftes Licht getaucht. Jo lag auf Martls gewaltiger
Brust, regte sich nicht, atmete kaum. Sie wollte den Moment festhalten,
vielleicht würde er ja einschlafen, das hätte ihr einige Extra-Stunden
gerettet.
    Aber er schlief
nicht. Er atmete

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