Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
stand fassungslos am offenen Grab und schüttelte immer wieder den Kopf. Auch ihre Theaterkollegen waren erschienen, vollzählig, wie es schien.
»Sie war ganz schön beliebt«, raunte Lahm Schuster zu.
Sie hatten sich mehrmals umgesehen, bisher aber nichts Ungewöhnliches entdecken können. Niemand stand abseits, von ihnen mal abgesehen.
Dann schrie plötzlich jemand auf, und kurz darauf verwandelte sich die bis eben noch friedliche Trauergemeinde in einen chaotischen Haufen. Ein wildes Durcheinander entstand, irgendwer schrie um Hilfe.
Lahm und Schuster blickten sich verwirrt an, schließlich rannte Lahm in die eine und Schuster in die andere Richtung.
Er wäre fast über einen Blumenkübel gestolpert, als er die Stimme seines Kollegen aus einem Menschenknäuel heraus hörte.
Einigermaßen atemlos kam er bei Lahm an. Der hockte auf der Erde, halb unter sich einen jungen Mann.
»Was ist passiert?«
Lahm keuchte. »Er ist auf den Kerl da drüben losgegangen. Kümmere dich um ihn.« Er zeigte nach rechts, wo ein junger Bursche in Designeranzug und Sonnenbrille hockte, eine Hand am Kinn.
Schuster wurde mit giftigen Blicken bombardiert, die der junge Mann abfeuerte. »Er ist auf mich losgegangen!«
Schuster hockte sich neben ihn. »Was ist passiert?«
Der junge Mann fasste sich demonstrativ ans Kinn. »Er hat mich niedergeschlagen! Sehen Sie sich das an!«
Schuster sah sich das an, konnte aber nichts entdecken.
»Brauchen Sie einen Arzt?«
Der junge Mann sah völlig unversehrt aus, nicht mal seine Sonnenbrille war verrutscht. Das Ganze war ihm offensichtlich enorm peinlich.
Verständlich, fand Schuster. Auf einer Beerdigung vor versammelter Mannschaft eins auf die Mütze zu kriegen, war verdammt unangenehm.
»Können Sie aufstehen?« Er reichte ihm seine Hand, und der junge Mann stand vorsichtig auf.
»Arschloch«, stieß er durch die zusammengepressten Zähne.
Schuster fühlte sich angesprochen und sah ihn von der Seite an. »Sagten Sie was?«
»Der da.« Der junge Mann zeigte auf den Burschen, der noch immer am Boden lag, Lahm halb auf ihm.
»Warum hat er Ihnen eins auf die Nase gegeben?«, wollte Schuster wissen.
»Aufs Kinn! Fragen Sie ihn doch selbst!«, pflaumte er Schuster an. Der drehte sich um und wollte ihn selbst fragen.
Lahm lockerte seinen Klammergriff etwas. »Wenn du dich rührst, liege ich gleich wieder auf dir.«
Der junge Mann am Boden schnaufte, wischte sich über die Nase und versuchte, sich aufzusetzen.
»Du dämlicher Vollidiot«, murmelte der Typ im Designeranzug.
Dann blickte er die Polizisten misstrauisch an. »Wer sind Sie überhaupt?«
Lahm griff in seine Jackentasche. »Florian Lahm, Kripo Bremen. Der nette Herr da ist Hauptkommissar Schuster. Wir waren so frei, uns hier etwas umzusehen. Keine schlechte Idee, so wie’s aussieht.«
Er streckte die Hand aus und half dem jungen Mann, auf dem er gehockt hatte, auf. »Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?«
»Sebastian Lübbing.« Der junge Mann klopfte sich die Hose ab, warf Lahm einen ziemlich wütenden Blick zu und strich sich die langen, blonden Haare zurück. »Er hat’s verdient. Oli ist ein mieses, feiges, widerliches Arschloch.«
»Was hat Oli denn angestellt?«, wollte Lahm wissen.
»Er hat Hannah angebaggert, seit Jahren schon, obwohl er wusste, dass sie mit mir zusammen ist. Wir wollten sogar heiraten. Aber das hat Oli nicht die Bohne interessiert. Er hat sie angerufen, ist einfach bei ihr aufgetaucht. Der war ein verdammter Stalker.«
»Benimmst du dich jetzt anständig?«, fragte Lahm ihn. »Sonst müssen wir dich mitnehmen. Und das willst du doch nicht.« Er stöhnte.
»Findest du nicht, dass ihr deine Freundin erst mal in Ruhe beerdigen solltet?«
Lübbing nickte. »Schon gut.«
Ein dunkelhaariges Mädchen hatte sich neben den jungen Mann im Designeranzug gestellt und tupfte ihm die Stirn ab. Er hatte nicht mal einen Kratzer, wahrscheinlich hatte Lübbing ihn nicht mal anständig erwischt.
Schuster griff kurz an seine frisch verheilte Nase.
»Wir nehmen Sie mit«, sagte er dann, ärgerte sich aber sofort.
Mitnehmen! Warum, bitte schön? Der Schnösel hat sehr wahrscheinlich äußerst berechtigt, aber leider nicht kräftig genug eins auf die Nase gekriegt. Warum willst du ihn mitnehmen?
»Das dürfen Sie gar nicht! Ich hab überhaupt nichts getan!«
»Er hat doch gar nichts gemacht!«, schluchzte auch das junge Mädchen, das Papier zum Stirnabwischen noch in der Hand.
»Vielleicht sagen Sie
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