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Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Titel: Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Grünke
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Günther raus, und alle fangen an zu lachen. Richie wiehert neben mir: «Dat is ’ne Welle!»
    «Dat geht euch ’nen Scheißdreck an! Los, Kleiner, hol noch ma ’ne Runde!»

    Die Sonne brennt mir auf den Kopf, während der Rest meines Körpers von feuchtem Sand umgeben ist. Diesen verflixten letzten halben Meter auszuheben ist äußerst kraftraubend. Das Frühstück aus Riesensandwich, Kuchen und zwei großen Tassen Kaffee liegt mir schwer im Magen. Mein Gesicht befindet sich jetzt auf Höhe der Grasnarbe, und jeder Windstoß treibt mir den Sand in die Augen. Ich spähe aus meinem Schützengraben über den weiten Platz.
    Der Friseur-Salon wirkt ungewohnt lebendig, durch die geöffnete Tür sieht man die Kundschaft mit Dauerwicklern auf dem Kopf. Zwei Frisörinnen sitzen aufgeplustert in ihren Liegestühlen und rauchen genüsslich in der Frühlingssonne. Überall gesellen sich Farbtupfer in das bislang so triste Bild dieses grauen Vorplatzes, langsam spielt sich zartes Grün in den Vordergrund. Die ersten Sonnenschirme schmücken die Balkone, und in den Blumenkästen blühen die Tulpen und Narzissen bereits in voller Pracht. Der Sommer rückt näher.
    «Richie, kommst du mit zur Kantine?»
    «Wat gibt’s denn heute?»
    «Fisch.»
    «Boah, nee! Hab mich am Wochenende überfressen mit Hornhecht. Warn anner Ostsee.»
    «Hornhecht? Nie gehört. Schmeckt der?»
    «Ess ich immer. Dat is der mit den grünen Gräten. Mann, kennste doch? Da spuckt man ’n bisschen. Hatte aber zu viel davon!»
    In der Ferne sehe ich Kalle und Kollegen vor der Bäckerei.
    «Die sitzen da schon wieder! Jeder mit einem Bier! Unglaublich, oder?»
    «Manche saufen halt immer. Früher haben alle gesoffen. Ich hatte mal ’nen Kollegen, der hat sich ständig so hart einen hinter die Binde gekippt, dass er nach Feierabend gleich auf der Baustelle gepennt hat. Der Chef hat den dann morgens direkt vom Sandberg zum Mauern geschickt! Dat waren noch Zeiten!»
    «Da muss man aber schon Alkoholiker sein, um noch arbeiten zu können?»
    «Klar, wat denkst du denn! Wir hatten auch mal einen, den Udo, der hat nach der Arbeit vor seinem Haus geparkt und sich im Auto immer erst fünf, sechs große Pils reingezogen, bevor er rein is zu seiner Alten.»
    «Ist ja Wahnsinn.»
    «Ja, aber dat Beste is», jetzt kichert Richie los, «dat die Alte immer am Fenster stand und beim Warten ’ne halbe Pulle Jägermeister geleert hat! Ach, der Udo! Super Typ! Lebt leider nich mehr, hat sich totgesoffen.»
    Schmunzelnd gehe ich zu meinem Fahrrad, um mich auf den Weg zur Kantine zu machen. Blitzartig kommt der Hump aus dem Treppenhaus geschossen und Peter im Laufschritt hinterher.
    «Wir kommen mit! Hab mir auch ’n Fahrrad besorgt. Damit die Töle mehr Bewegung kriegt.»
    Es dauert keine Minute, da hat der Hump ein neues Spiel gefunden. Meine sich auf den Pedalen drehenden Schuhe scheinen seine bissige Schnauze magisch anzuziehen.
    Ich trete den Hund heftig weg, aber er kommt in vollem Tempo wieder von der Seite und stößt mich fast vom Rad. So schnell ich auch fahre, der Hump hält mit. Laut knurrend jagt er neben mir her und attackiert immer wieder meinen Fuß. Die Passanten bleiben entsetzt stehen. Wahrscheinlich sieht es für Außenstehende gefährlich aus. Ich nehme es mit Humor. Erst als wir die Hauptstraße erreichen, lässt der Hump von mir ab und wartet mit heraushängender Zunge auf Peter. Der Depp ist die ganze Zeit seelenruhig hinter uns hergefahren.
    «Das musst du dem Hund abgewöhnen, Mann!»
    «Ach was, ist doch gut. So wird der seine Energie los.»
    Seitdem jagt der Hump Schuhe auf Fahrradpedalen. Manchmal ist er hinter Peter her, aber meistens bin ich das Opfer.

    Mit der großen Makita in der Hand betrete ich den Technikraum.
    «Nicholas, Hallo», stelle ich mich vor.
    «Hi, Mbegede.»
    «Ich wollte mich für die Idioten entschuldigen …», erkläre ich, als Mbedege mich in breitem Berlinerisch unterbricht.
    «Schon jut, lass ma. Ick bin dat jewohnt. Is überall am Anfang so, dat hört dann wieder auf.»
    «Woher kommst du eigentlich?»
    «Berlin, hört man dit nich? Bin hier geboren. Meine Eltern kommen aus Ghana.»
    In dem Moment knallt oben der Kernbohrer in die Decke, und wir verstehen unser eigenes Wort nicht mehr.
    «Willst du auch Kopfhörer?», brülle ich ihn an und deute dabei mit beiden Händen auf meine Ohren. Er nickt. Als ich mit dem zweiten Gehörschutz wiederkomme, laufen Franz und Günther gerade an Mbedege vorbei und unterhalten

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