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Schutzlos: Thriller (German Edition)

Schutzlos: Thriller (German Edition)

Titel: Schutzlos: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Route 15 durch die Nacht raste.
    Eine entfernte Erinnerung an Peggy und die Jungen tauchte auf. Sam und Jeremy. Diesmal konnte ich sie nicht beiseiteschieben. Und ich wollte es auch nicht.
    Ich antwortete Loving nicht.
    Er schob meine Waffe in den Hosenbund und kam näher. Er stieß mich auf den Rücken und fesselte meine Füße ebenfalls. Ich hatte nicht mehr die Kraft, mich zu wehren.
    Er blickte sich noch einmal um, holte einen kleinen, abgenutzten Briefumschlag aus der Tasche und schüttete seinen Inhalt auf den Boden.
    Das war es also. Das Handwerkszeug, mit dem er Leute zum Reden brachte. Der Alkohol war in einer kleinen Flasche, nicht viel größer als das, was man an Bord eines Flugzeugs mitnehmen darf. Das Schmirgelpapier war feinkörnig, etwas, das man für einen letzten Feinschliff verwenden würde. Es sah alles so harmlos aus.
    Einen Moment lang erwartete ich, wir würden eine Unterhaltung beginnen. Eine Art verbalen Schlagabtausch. Immerhin waren wir jahrelang Gegner gewesen und hatten in den letzten beiden Tagen eine Partie Schere, Stein, Papier um die andere gespielt.
    Doch er war ein ebenso ernsthafter Spieler wie ich und machte sich sogleich an seine Aufgabe.
    Was ist sein Ziel?
    Amanda zu finden.
    Wie erreicht er es am effizientesten?
    Er zog meinen rechten Schuh aus, dann den Socken. Ich wusste, dass Zehen genau wie Finger über eine Vielzahl an Nerven verfügen. Sie gehören zu den empfindlichsten Stellen des menschlichen Körpers. Er kniete sich auf meine Wade, damit ich das Bein nicht bewegen konnte – was für sich genommen schon höllisch wehtat –, und wählte dann ein Stück Schmirgelpapier aus. Er begann vorn an meinem großen Zeh zu arbeiten.
    Erst nichts, dann ein leichtes Unbehagen und schließlich ein intensives, sengendes Brennen, das sich direkt bis zu meinem Gesicht hinauf fortpflanzte. Ich keuchte unwillkürlich und schrie zuletzt vor Schmerz auf.
    Meine Nase schmerzte, meine Zähne, meine Kehle.
    Alles von diesem sanften Schleifen.
    Loving langte nach der Alkoholflasche und schraubte den Deckel ab, den er sorgsam in seine Tasche steckte. Er hielt sich nicht damit auf, mich anzusehen oder ein Wort zu sagen. Die Spielregeln waren klar. Entweder ich sagte ihm, wohin Amanda gefahren war, oder ich sagte es nicht.
    Er kippte die Flasche, und ich fühlte plötzliche Kälte – auch das war zunächst nur irritierend. Aber dann stieg der unerträgliche Schmerz wieder bis zu meinem Kinn hinauf. Ein Schmerz, wie ich ihn noch nie empfunden hatte. Er war ein Lebewesen, das sich durch meinen Körper bewegte, wie es ihm gefiel, das pulsierte, das schlau war und getrieben. Ich konnte den Schmerz als Farbe sehen, ich konnte ihn hören.
    Schere, Stein, Papier murmelte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen. Schere, Stein, Papier. Durch Augen voller Tränen sah ich, dass Loving das Fläschchen abstellte und wieder zum Schmirgelpapier griff.
    Schere, Stein, Papier
    Peggy, Peggy, Peggy …
    Schere, Stein, Papier …
    Er fing mit der zweiten Zehe an.
    Ich schrie.
    Schere, Stein, Papier, Scheresteinpapierscherestein…
    Ein weiterer Schrei.
    Dann, als ich keuchend nach Atem rang, hörte ich zwei Geräusche. Das erste war das Knacken eines brechenden Asts nicht weit entfernt, in Richtung der Straße.
    Das zweite war ein metallisches Klicken. Ein besonderes Klicken, das niemand in meinem Arbeitsfeld verwechseln konnte.
    Loving kannte es natürlich ebenfalls, ließ seine Folterwerkzeuge auf der Stelle fallen und zog meine Glock aus seinem Hosenbund. Er fiel stöhnend auf den Bauch, als der erste Schuss
die Nacht erschütterte. Der Schuss ging daneben – aber nur knapp. Hinter uns spritzte Erde auf.
    Der Lifter rollte zwei, drei Meter von mir fort – er konnte es sich nicht leisten, dass ich versehentlich getötet wurde, ehe er wusste, wohin Amanda gefahren war – und drückte sich wieder flach auf die Erde. Das Gras war sehr niedrig hier und bot nur wenig Deckung.
    Ein weiterer Schuss. Ich blickte in die Richtung, aus der er gekommen war, und sah einen Mann schwerfällig durch die Büsche stapfen, einen Revolver in der ausgestreckten Hand, aus dem er auf Loving feuerte. Im ersten Moment war ich überrascht, als ich sah, wer der Neuankömmling war. Aber dann wurde mir klar, dass es keine so große Überraschung war.
    Ryan Kessler war einer der wenigen Menschen, die wussten, wohin Pogue und ich gefahren waren.
    Der Polizist wich nicht aus und ging nicht in Deckung. Er verlangsamte nicht einmal

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