Schutzlos: Thriller (German Edition)
gebrauchen konnte.
Ich warf einen Blick in den Rückspiegel und begegnete ihrem Blick. Ihre Augen waren ausdruckslos und ihr Blick unscharf, und wir sahen beide gleichzeitig weg.
Nun, da ich beruhigt war, dass uns niemand folgte – es wäre
purer Zufall gewesen, wenn Loving uns gefunden hätte –, machte ich den Anruf.
»Hallo?«, meldete sich die tiefe Stimme.
»Aaron?«
»Corte«, antwortete mein Boss. »Ich weiß von Fredericks von der Sache im Hillside. Er sagte, alles sei in Ordnung. Ich nahm an, dass Sie auf der Flucht sind, und wollte nicht anrufen.«
»Danke.« Das war eine seiner besten Eigenschaften. Das instinktive Gefühl für die Aufgabe des Schäfers mochte ihm fehlen, aber er verstand, wie wir arbeiteten, und er richtete seinen Job nach unseren Anforderungen aus. »Ich habe noch nicht mit Freddy gesprochen«, sagte ich. »Gab es Opfer dort?«
»Nein«, sagte er, »aber das Motel hat es übel erwischt. Sie haben eine Menge Blei abbekommen, es müssen vierzig, fünfzig Schüsse gewesen sein. Zwei Kugeln sind in Gästezimmern mit Leuten darin eingeschlagen. Ich kann diesmal nicht den Deckel draufhalten.«
»Als was wird es verkauft?«
»Loving selbst hat uns einen Ausweg für die Presse gewiesen, ob Sie es glauben oder nicht. Wir springen auf das auf, was er in seinem Fax geschrieben hat – in dem war von Kidnapping die Rede und dass das organisierte Verbrechen im Spiel sei. Ich werde wohl den bösen Hector mal wieder aus dem Sack ziehen. Was bleibt mir anderes übrig?«
Hector Carranzo war ein kleiner kolumbianischer Drogenkrimineller, dessen Name in einer Reihe von Haftbefehlen sowohl hierzulande als auch in verschiedenen lateinamerikanischen Staaten stand. Es gab unterschiedliche Beschreibungen von ihm und nur vage Informationen zu seiner Geschichte, aber was alle Berichte enthielten, waren warnende Hinweise auf seine Gefährlichkeit und die Ermahnung, überall im Land die Augen nach ihm offen zu halten. Er war dafür bekannt, gänzlich unerwartet aufzutauchen.
Er war außerdem vollkommen frei erfunden. Wenn es zu einer Schießerei wie der im Hillside kam und die Umstände so waren, dass wir die Wahrheit verschweigen wollten, schoben wir den Zwischenfall auf Señor Hector und »mögliche Drogen- und andere illegale Aktivitäten, die wir erst noch genau identifizieren müssen«. Sollten wir den Auftraggeber im Fall Kessler dingfest machen, würde sich Ellis in einigen Tagen vielleicht erneut an die Öffentlichkeit wenden: Hoppla, wir haben uns geirrt, der wahre Täter war Soundso. Aber der böse Hector würde die Presse erst einmal eine Weile beschäftigen.
»Wir sind jetzt auf dem Weg zu dem sicheren Haus.«
»Gut. Fahren Sie hin und bleiben Sie dort.« Eine Pause. Ich wusste, was er als Nächstes sagen würde. »Wir wollen ihn alle kriegen, Corte. Aber ich möchte, dass Sie sich nicht aus dem sicheren Haus rühren. Keine Versuche mehr, Loving zu stellen.«
Er dachte sicher an Rhode Island.
»Nur die Fliegenfalle war offensiv. Was im Hillside passiert ist, war rein defensiv. Wir haben versucht zu fliehen.«
»Das verstehe ich … Aber möglicherweise wird die Frage aufgeworfen, warum Sie in dieser Situation überhaupt einen Zwischenstopp eingelegt haben. Warum Sie nicht direkt zu dem sicheren Haus gefahren sind.«
Sollte wahrscheinlich heißen, dass ich unbewusst – oder vielleicht auch sehr bewusst – versucht haben könnte, Loving auf uns zu ziehen. Er wollte einen Grund hören. Aber auch wenn er mein Boss war, fiel es mir nicht ein zu antworten.
Als ihm das klar wurde, fuhr er fort. »Es war Ihre Entscheidung, und ich stelle sie nicht in Frage. Ich teile Ihnen nur mit, dass die Frage auftauchen könnte.«
»Wenn ich überhaupt etwas tue«, sagte ich, »dann helfe ich nur Claire, den Auftraggeber aufzuspüren.«
»Gut«, murmelte er. Ellis erlebte einen anstrengenden Samstag,
deshalb trat er nicht weiter mit Samtpfoten auf. »Sie haben Westerfield nicht angerufen. Sie sagten, Sie würden es tun.«
»Ich mache es noch. Ich war beschäftigt.«
Was lahm klang, auch wenn es stimmte.
Wir beendeten das Gespräch, und ich begann Westerfields Nummer herauszusuchen. Aber dann hörte ich Freddys Namen in meiner akustischen Anruferkennung.
Ich klickte auf »Akzeptieren« und fragte: »Haben Sie irgendwas beim Hillside entdeckt?«
»Keine Spuren«, sagte Freddy. »Er ist wirklich sehr schnell verschwunden. Wie Houdini. Oder das Taschengeld, das ich meinen Kindern gebe. Einfach
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