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Schutzlos: Thriller (German Edition)

Schutzlos: Thriller (German Edition)

Titel: Schutzlos: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Spuren lesenden Agenten zu entkommen versuchte. Ich war ziemlich gut darin, da ich die Techniken genau studiert hatte und eine Spur ebenso gut zu verwischen wie zu finden verstand.
    Diese Kunst war mir bei meiner Tätigkeit als Schäfer bereits des Öfteren zugutegekommen.
    Jetzt untersuchte ich den Boden und die Zweige sorgfältig nach Hinweisen darauf, wo Loving vorbeigegangen war. Die Zeichen waren kaum wahrnehmbar: ein von der Sonne gebleichter Ast, der mit der Unterseite nach oben lag, Kiesel oder Hirschkot, der nicht dort lag, wo er hingehörte, Blätter, wo normalerweise keine Blätter waren.
    Das Spurenlesen hatte mich gelehrt, dass in neunzig Prozent der Fälle das Gelände die Route bestimmt, der die Beute folgt. Man muss im Allgemeinen nur dem Weg des geringsten Widerstands folgen und kann sich ziemlich sicher sein, dass man auf der richtigen Spur ist. Henry Loving war anders. Seine Route führte ihn in Richtungen, die unlogisch erschienen, weniger direkt und schwieriger, als anzunehmen wäre.
    Aber seine Strategie wurde logisch, als ich erkannte, dass er wiederholt pausierte und sich nach links und rechts wandte, um nach Verfolgern Ausschau zu halten.
    Rationale Irrationalität …
    Nachdem ich seine Strategie durchschaut hatte, bewegte ich mich schneller, da er nicht damit rechnen würde, dass ihm jemand auf seiner genauen Route durch das dichte Laubwerk folgte. Sein Weg schlängelte sich durch Stellen voller Forsythien, dichten Teppichen aus Kudzu und Efeu, durch wilden Wein, Brombeeren und Sträucher, deren Herkunft ich nicht kannte.
    Ich blieb ebenfalls stehen, um zu lauschen. Hunde verfolgen eine Spur erst mit Hilfe des Geruchs, dann des Gehörs und dann der Augen. Menschen sind anders, aber das Gehör kommt auch
bei ihnen an zweiter Stelle. Man muss immer sorgfältig horchen. Deine Beute macht Lärm, wenn sie flieht, und wer dir nachstellt, macht Geräusche, wenn er sich nähert, um zuzuschlagen (Menschen neigen dazu, im entscheidenden letzten Moment am lautesten zu sein, bei anderen Tieren ist das Gegenteil der Fall). Man könnte glauben, das Knacken und Rascheln im Wald kommt von überall her. Aber es dauert nicht lange, dann lernt man Echos einzukalkulieren und Entfernungen einzuschätzen und weiß mehr oder weniger sicher, wo die Quelle eines Geräuschs ist.
    Nach einer Weile bemerkte ich schwache Geräusche vor mir. Sie konnten von Ästen stammen, die im auffrischenden Wind aneinanderschlugen, von einem Hirsch oder von einem Mann, der die Absicht hatte, ein sechzehnjähriges Mädchen zu entführen.
    Dann sah ich Carters Haus in etwa hundert Metern Entfernung neben einer Wasserfläche. Ich beobachtete sorgfältig. Keine Bewegung außer den Blättern, die sich im strammen Wind regten.
    Ich schlich näher.
    Ich hielt inne und beobachtete wieder.
    Ich war rund sechzig Meter vom Haus entfernt, als ich Loving entdeckte.
    Ja, es war zweifelsfrei der Lifter. Er trug dieselben Sachen oder ähnliche wie bei unserer gestrigen Begegnung bei der Fliegenfalle. Er hatte keine Waffe in der Hand, da er mit beiden Händen so vorsichtig wie möglich Gestrüpp und Zweige zur Seite bog.
    Ich hatte gehofft, ihn auf dem Pfad zu erwischen; er würde dort weniger vorsichtig sein als beim Haus. Sicher hatte er seine Hausaufgaben gemacht und wusste, dass Bill Carter ein ehemaliger Polizist und ohne Frage bewaffnet war.
    Loving zog nun seine Waffe und vergewisserte sich, dass eine Kugel in der Kammer war, indem er den Schlitten zurückschob.
    Ich zog meine ebenfalls und ging ihm nach.
    Unwillkürlich überlegte ich, was wohl Westerfield oder andere sagen würden, wenn sie das hier sehen könnten. War es nicht meine Aufgabe, meine Mandantin, die sich jetzt hundert Meter entfernt versteckte, so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen?
    Warum verfolgte ich dann den Lifter?
    Es gibt die einen Hütehunde, die Schafe um eine Wiese treiben, und es gibt die anderen, die nicht nur die Herde bewachen, sondern auch Räuber attackieren, wie groß und wie zahlreich sie auch sein mögen … Tut mir leid, Abe, aber ich gehöre zum zweiten Typ. Ich kann es nicht ändern.
    Ich verringerte die Distanz und überlegte meinen nächsten Schritt. Ich hatte Freddy von unterwegs angerufen und wusste, dass Polizisten und Agents auf dem Weg waren. Schon errichtete die örtliche Polizei Straßensperren. Freddy würde in etwa zwanzig Minuten eintreffen.
    Die Umgebung war ungünstig, um einen Eins-zu-eins-Angriff zu inszenieren; und auch wenn

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