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Schwaben-Angst

Schwaben-Angst

Titel: Schwaben-Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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sich. Der liegt mitten zwischen den Notenblättern. Ich kenne niemand, der einen Kuli benutzt. Wirklich.«
    Braig erinnerte sich an die Orgel in der Großaspacher Kirche, sah den Notenständer, dazu den Stift, den Rössle in die Hand genommen hatte, in Gedanken vor sich. Es war ein Kuli, soweit er das noch zu beurteilen wusste, in der Tat ein Kuli. Sie hatten sich noch darüber gewundert, dass die Notenblätter Hemmers alle verschwunden waren, einzig der Kuli auf dem Ständer lag, hatten überlegt, wieso. Wenn der Stift nicht dem Toten gehörte …
    »Wer spielt noch auf der Orgel?«, fragte Braig. »Kann es nicht sein, dass ein anderer Spieler ihn aus Versehen liegen ließ?«
    Reck ging auf seine Spekulation nicht ein. »Wir alle benutzen Bleistifte. Alle.«
    Sie mussten den Kuli überprüfen, ohne Frage. Vielleicht war es wirklich ein wichtiger Hinweis.
    »Sie müssten doch feststellen können, woher der Kuli stammt«, fuhr Wolfgang Reck fort, »der trug eine Telefonnummer, wenn ich darüber nachdenke, oder?«
    Braig erinnerte sich an irgendeinen Aufdruck, hatte bisher aber vergessen, das genauer nachzuprüfen. Höchste Zeit, es nachzuholen. Sollte der Mörder oder die Mörderin tatsächlich so leichtsinnig gewesen sein, einen Stift liegen zu lassen? Aber wozu hatte er oder sie ihn überhaupt in der Kirche gebraucht?
    Er bedankte sich bei dem jungen Organisten, startete den Wagen, fuhr los. »Rufst du bitte Rössle an und fragst ihn nach dem Aufdruck auf dem Kuli?«
    Neundorf hatte alles über die Freisprechanlage mitgehört, war skeptisch. »Wozu soll der Mörder den Stift an der Orgel gebraucht haben? Glaubst du, der schreibt noch irgendetwas, bevor er das tödliche Gift verabreicht?«
    Rössle meldete sich sofort.
    »Du bist noch in der Kirche?«
    »Allerdings. I hans net so gut wie die Frau Kommissar und genieß das schöne Wetter heut Mittag. Mir kriechet noch uf dem Bode rum und suchet nach Spure.«
    Neundorf fragte nach dem Stift, bat ihn, die Aufschrift zu überprüfen.
    »Des han i schon längst gmacht«, knurrte Helmut Rössle, »alle achtzig Deifel von Sindelfinge, ihr glaubet wohl, mir schaffet gar nix? Die Telefonnummer auf dem Kuli han i sofort agwählt.«
    »Tatsächlich? Und wer war am Apparat?«
    »Niemand. Da nimmt niemand ab.«
    »Dann versuchen wir es später noch mal. Steht außer den Ziffern noch etwas auf dem Stift?«
    »Nur die Werbung für einen Handwerker. ›Maler Hoch‹. Sonscht nix. Wellet ihr die Nummer?«
    Neundorf bat ihn darum, notierte sie, verabschiedete sich dann. Sie fuhren durch nicht enden wollende Industrie- und Gewerbeflächen, sahen von weitem die sterilen Betonkomplexe von Breuningerland und IKEA, erreichten Ludwigsburg.
    »›Maler Hoch‹«, meinte Neundorf, »Werbung für einen Handwerker. Kein Wunder, dass der am Sonntag nicht zu erreichen ist.«
    Sie tippte die Nummer in ihr Handy, hatte plötzlich eine kräftige Männerstimme im Apparat. »Herr Hoch persönlich?«, fragte sie überrascht.
    »Hoch? Lecket Sie mi doch am Arsch!« brüllte der Mann. »Und den Hoch glei dazu!«
    »Oh Verzeihung, ich habe mich wohl verwählt.«
    »Verwählt? Allerdings! I han die Schnauze voll mit diesem Scheißkerl! I bin koi Maler und han au koi Luscht, ihre Scheißdrecks Wänd a zu pinseln! Der Deifel soll Sie hole, Sie dämliche Schnalle!« Er schrie aus Leibeskräften, beendete das Gespräch ohne jede weitere Erklärung.
    Neundorf blickte überrascht aus dem Fenster, sah die weitläufigen Gartenanlagen des Ludwigsburger Schlossparks, den sie gerade passierten. »Mein Gott, war der aggressiv. Da muss schon einiges schiefgelaufen sein an diesem schönen Sonntagmittag.« Sie erhaschte einen Blick auf die gepflegten Rasenflächen und Blumenbeete, sah die vielen Menschen, die durch den Park bummelten. Familien mit Kindern, ältere Frauen und Männer, Gruppen von Jugendlichen.
    Neundorf nahm noch mal ihr Handy, achtete genau auf die Zahlen, die sie eingab.
    »Du hast dich nicht wieder verwählt?«, frozzelte Braig.
    Sie studierte die Nummer auf dem Display, verglich sie mit der, die Rössle ihnen genannt hatte. »Alles okay.« Sie hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als sich die alte Stimme meldete.
    »Ja?«
    Der Tonfall kam ihr bekannt vor. »Herr Hoch?«
    »Herrgottsdonnerwetter, Sie schon wieder! I hans Ihne doch gsagt, i bin net dieser Scheiß-Hoch! Die Nummer isch falsch!«
    Neundorf blickte erschrocken zu Braig, hatte die Entschuldigung schon auf den Lippen. Rössle war ein Fehler

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