Schwaben-Filz
die Erde zu verlegen, obwohl das in der Bevölkerung auf erbitterten Widerstand stieß, wie ich den Berichten entnommen habe. Ruppich, Robel und Grobe waren die wichtigsten Nutznießer. Der eine baute, die anderen stellten die Kredite zur Verfügung und vermarkteten die Grundstücke, die dadurch frei wurden. Dummerweise wurde der Bau aber weit teurer als veranschlagt. Deshalb sparten sie das dritte Gleis ein. Jetzt konnten aber die Anschlusszüge nach Oberweihingen nicht mehr erreicht werden. Weil die Leute dann aufs Auto umstiegen, wurde diese Nebenstrecke unrentabel und vor zwei Jahren stillgelegt. Jetzt sind die Straßen noch voller, in der unterirdischen Station herrscht abends dafür tote Hose. Kaum ein Mensch traut sich noch in die Tiefe, zumal es bereits mehrere Überfälle gab. Na ja, dass die Schwäbische Bahn letztes Jahr Konkurs anmelden musste, ist da kein Wunder. Dieser Henfle wurde mit einer großen Summe abgefunden, wie ich gelesen habe. Trotz allem verstehe ich nicht, wieso es zwischen Ruppich und seinen Kompagnons zu einem solchen Zerwürfnis kam, dass der die der Reihe nach abknallt. Die müssen doch irre bei dem Projekt verdient haben.«
»Und jetzt versteckt er sich bei uns im Norden.«
»Über Patrick Stein, nehme ich an«, sagte Braig. »Der hat mich ganz schön gelinkt.«
»Uns«, erklärte Grewe. »Mich genauso. Ich habe dem Mann weitgehend geglaubt.«
»Das tröstet mich dann doch ein wenig. Ich war gerade dabei, an meiner Urteilskraft zu zweifeln.«
»Dafür gibt es keinen Anlass. Wenn er Ruppich wirklich irgendwo versteckt hat, ist es ihm verteufelt gut gelungen, das zu vertuschen. Ein echter Profi.«
»Na ja, vielleicht war er doch nicht ohne Grund im Gefängnis. Möglicherweise hat er uns auch in der Beziehung hinters Licht geführt.«
»Wer weiß, ja. Ihr habt das Handy also heute Morgen in Husum geortet und glaubt, dass Ruppich es mit sich führt.«
»Um 7.30 Uhr. Ich warte jetzt auf aktuellere Daten. Immerhin sind seither fast eineinhalb Stunden vergangen.«
»Und Sie fragen sich natürlich, wo er da in Nordfriesland Unterschlupf gefunden hat?«
»Genau. Und ich denke, Sie könnten mir dabei helfen. Sein Versteck wurde ihm von Stein besorgt, davon gehe ich aus. Das wäre einfach ein zu großer Zufall, wenn der nichts damit zu tun hätte. Von Stuttgart in den hohen Norden, ich weiß nicht, wie Ruppich sonst auf diese Ecke kommen sollte. Deswegen wäre es wichtig, zu erfahren, welche Beziehungen Stein nach Husum oder in dessen Umgebung hat. Wobei ich natürlich noch nicht genau sagen kann, ob Ruppich sich wirklich dort aufhält oder noch weitergefahren ist – aber das wird sich in Kürze herausstellen, sobald die neueste Ortung eingegangen ist. Hat Stein Bekannte oder Verwandte in der Ecke dort, hat er vielleicht sogar mal in der Gegend gewohnt? Wenn Sie sich darum kümmern könnten?«
»Aber sicher. Ich werde mich sofort darüber informieren. Stein erzählte, dass er in einem Seniorenheim im Fegefeuer arbeitet, das liegt beim Dom, nicht weit von uns hier. Dort wird er jetzt wohl zu finden sein. Ich werde ihn mir gleich zur Brust nehmen. Allerdings um einiges schärfer als am Samstag, das verspreche ich Ihnen. Und sobald Sie die neueste Ortung haben, geben Sie mir die bitte durch. Meine Handy-Nummer haben Sie ja.«
Braig bedankte sich für die schnelle und unkomplizierte Zusage des Kollegen, beendete das Gespräch. Die Unterhaltung mit Grewe hatte ihm neuen Mut gemacht, das Gefühl, in seiner Ermittlungsarbeit erbärmlich versagt zu haben, zumindest ein Stück weit gedämpft. Grewe hatte sofort zugegeben, Stein ebenfalls vertraut zu haben. Das war zu schnell gekommen, um es als billigen Trost oder verlogene Höflichkeitsfloskel abzutun. Dem Lübecker Kollegen war es offensichtlich genauso ergangen wie ihm: Stein hatte sie, unterstützt von seinem Buddha-ähnlichen Aussehen und Gehabe, profimäßig gelinkt. Das war ihr Berufsrisiko, es konnte ständig passieren. Es gab kein Hilfsmittel, das auszuschließen, nur die Hoffnung, durch lange berufliche Erfahrung in Zukunft besser dagegen gewappnet zu sein.
Und Henfle? Was war mit dem?
Irgendwann im Lauf des Tages würde die Meldung eingehen, dass seine Leiche gefunden wurde, war Braig sich sicher, irgendwo im Umkreis von Stuttgart.
31. Kapitel
Fünf Minuten nach elf am Dienstagmorgen hatte Neundorf endlich die Baustelle ausfindig gemacht, auf der Wolfgang Bach seiner telefonischen Auskunft nach fast den ganzen Vormittag über
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