Schwaben-Freunde: Kommissar Braigs 16. Fall (Schwaben-Krimi) (German Edition)
Fahrzeugs, »mit meinem Passat.«
Die Männer sprangen zu ihm her, starrten seinen Fingern nach. »Er hat Sie überwältigt?«, fragte der zivil Gekleidete.
»Ich komme gerade von einem Hausbesuch bei einer Patientin. Ich bin Arzt. Er stieß mich zur Seite und riss mir die Schlüssel aus der Hand. Ich kam nicht einmal dazu, mich zu wehren.«
»Den schaffen wir nicht mehr«, erklärte der jüngere Beamte, auf die von dem großen Daimler blockierte Fahrbahn deutend, »das müssen wir den Kollegen überlassen.« Er bat Dr. Glaubitz um das Kennzeichen und die Farbe seines Passat, gab die Daten fernmündlich durch. »Möhringen, Richtung Fasanenhof oder Unteraichen«, fügte er hinzu.
»Und jetzt?«, fragte der Arzt. »Was ist mit meinem Wagen?«
»Jetzt notieren wir uns erst mal Ihren Namen und Ihre Adresse, und dann hoffen wir, dass unsere Kollegen mehr Glück haben als wir.«
10. Kapitel
Drei Monate zuvor
Der Mann war ihr auf Anhieb sympathisch.
Ein kräftiger, mittelgroßer Typ mit dunklen, wuscheligen Haaren und wettergegerbter, dunkler Haut. Mitte dreißig etwa, vielleicht auch schon ein paar Jahre älter. Die Art, wie er das kleine Schaf in seinen muskulösen Armen vor sich hertrug, erinnerte an ein archaisches Motiv: der treu sorgende Vater, der sich um das Wohlergehen seines Kindes bemüht.
Kein Wunder, dass er dir gefällt, schoss es ihr durch den Kopf. Evolutionsbiologisch gesehen würde ihm in dieser Pose jede Frau verfallen. Der natürliche Mutterinstinkt, speziell in den Tagen um den Eisprung herum.
Sie trat auf ihn zu, stellte sich vor. »Claudia Steib. Sie sind Herr Lieb?«
Er kniff seine Augen zusammen, schien von der Sonne geblendet. »Samuel Lieb, ja. Wir …«
»Wir haben uns geschrieben«, beantwortete sie seine angedeutete Frage.
»Schön, dass du gekommen bist, Claudia«, erklärte er und schob seine rechte Hand unter dem Kopf des Schafes vor.
Sie drückte sie vorsichtig, bemerkte erst jetzt aus unmittelbarer Nähe, wie winzig das Tier war. »Wie alt …«, setzte sie an.
»Zwei Tage«, antwortete er. »Linda ist Waise. Sie braucht meine Nähe.«
»Waise?«
»Gestern wurde ihre Mutter überfahren. Ich will ihr Milch geben.«
Claudia Steib sah, wie sich sein Gesicht verfinsterte, wagte nicht, nachzufragen.
»Du kannst mir helfen«, erklärte er.
Sie folgte ihm zum Haus, bemerkte, dass die Eingangstür offenstand.
Lieb trug das Tier ins Innere, deutete dann auf eine im oberen Teil in Milchglas ausgefertigte Tür. »Die Flasche steht auf dem Tisch.«
Claudia Steib betrat die Küche, sah, dass sie modern und in hellen Farben eingerichtet war. Wandschränke und Einbaugeräte auf zwei Seiten, ein großer, stabiler Tisch mit mehreren Stühlen in der Mitte des Raumes. Die Flasche mit der weißen Flüssigkeit und einem Schnuller auf der Spitze war fast zur Hälfte gefüllt. Sie nahm sie in die Hand, spürte, dass sie angewärmt war, folgte dem Mann zurück in den Hof.
Er wies auf die weiße Bank neben der Eingangstür, nahm darauf Platz. »Ich sehe es deinen Augen an«, meinte Lieb, ein leichtes Grinsen im Gesicht, »du willst sie ihr am liebsten selber geben.«
Sie wusste nicht, was sie antworten sollte, fühlte sich erleichtert, als er einen weiteren Satz hinzufügte.
»Sie soll sich aber an mich gewöhnen. Es ist besser, wenn du nur zuschaust.« Er nahm die Flasche, richtete das Tier vorsichtig auf, ließ es am Schnuller nuckeln. Zuerst in kleinen, zaghaften, dann in kräftigeren, laut schmatzenden Schlucken.
»Du hast sie angewärmt?«, vergewisserte sie sich.
»In der Mikrowelle«, bestätigte er. »Auf Körpertemperatur.«
»Normale Milch?«
Lieb schüttelte den Kopf. »Kolostralmilch.« Er sah, dass sie ihn nicht verstand, setzte an, die Sache zu erklären. »Nach der Geburt enthält die Muttermilch Stoffe, die den Magen und den Darm des Kindes zur Verdauung anregen. Mit normaler Milch lässt sich das nicht in Gang bringen. Kolostralmilch enthält außerdem Enzyme, die die Tiere gegen bakterielle Erreger schützen. Ohne sie hätten sie keine Überlebenschancen. Deswegen sind die Kleinen auf Gedeih und Verderb auf die Versorgung durch ihre Mutter angewiesen.«
»Und wenn die Mutter stirbt?«
»Ich habe mehrere Flaschen für den Notfall eingefroren. Meistens kann ich den Muttertieren Milch abpumpen. Das mache ich nach jeder Geburt.«
Sie hörte das Schmatzen des winzigen Schafbabys, betrachtete die feinen Gesichtszüge des Tieres. Die winzige Nase, der kleine Mund,
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