Schwaben-Rache
Ergänzung zu Stöhr, nicht ganz so groß, aber ebenso dünn wie dieser.
»Halt endlich dei Gosche, du alte Schadull«, schallte es vom Gemüsebeet her.
Steffen Braig hatte Mühe, alles zu notieren.
»Kleine Auseinandersetzung gehabt?«, fragte er freundlich, als das ungleiche Paar bei ihm angelangt war. Beide trugen Arbeitskleidung: dunkelblaue Latzhosen, ein rotes Hemd und grobe Schuhe.
»Der alte Käsbauch do drübe behauptet, mir wäret in seinem Potenzgarte gwese heut nacht und hättet seine Wunderpflanze niedertrampelt, der Bachei. Dabei hent mir genau gesehe, dass das der Kahn war heut Nacht«, schimpfte die Frau.
»Der Herr Kahn?«
»Genau der.«
»Wann war das ungefähr?«
»Oh je, was weiß i, so gege elfe vielleicht.«
Das konnte sowohl vom Weg als auch von der Zeit her passen. Bis Bofinger ins ›Wohnland‹ gebracht und Kahn wieder zurückgekehrt war, konnten gut zwei Stunden vergangen sein.
»Sie wissen genau, dass es Herr Kahn war?«
»Beide hent mir ihn gsehe«, sagten zwei Stimmen gleichzeitig, »mir alle beide. I han noch zu meinem Theo gsagt, was will denn der Kahn in dem Käsbauch seinem Potenzgarte«, fuhr die Frau fort, »des isch die neuste Erfindung von dem Halbdackel, wisset Sie. Der meint, wenn er nur genügend Meerrettich, Sellerie, Knoblauch und Zwieble anbaut und des Zeug miteinander vermischt, no könnt der des als Potenzmittel teuer unter die Leut bringe.«
»Des isch koi Sellerie«, brüllte der beleibte Mann aus seinem Garten hinaus, »des sind Potenzknolle. Die wirket Wunder!«
Die junge Frau lachte. »Bei dir bestimmt net. Do send Hopfe ond Malz verlöre!« Sie drückte ihren Begleiter an sich. »Ond mei Theo braucht des Zeug eh net, bei dem klappts prima!«
Braig dämmerte es, dass der Mann zwar sicher doppelt so alt wie die Frau, ganz bestimmt aber nicht ihr Vater war ...
»So eine elende Ragall!« Bud Spencer in seinem Garten schäumte vor Wut.
Steffen Braig genoss die herzhafte Unterhaltung. Nach dem nervenbelastenden Telefonat, dem er nach dem Besuch bei Bofinger gerade entronnen war, war ihm jede Ablenkung recht. Er hatte per Handy im Landeskriminalamt Bescheid über die Identität des Mannes auf dem Fahndungsfoto geben wollen, war dabei aber dummerweise an Gübler persönlich geraten. Und gegen den folgenden Disput war die Unterhaltung hier das reinste Sommervergnügen.
»Wissen Sie, wer mich eben zu sich hat rufen lassen?«, hatte Gübler den Dialog eröffnet.
Natürlich hatte Braig es nicht gewusst, woher auch?
»Der Herr Präsident. Und wissen Sie, wer bei ihm war?«
»Nein.«
»Klar, wie immer. Nein. Herr Ministerialdirigent Orchitis. Herr Ministerialdirigent Orchitis aus dem Ministerium.«
Der Widerling in Person, dachte Braig. »Suchst du ein Paradebeispiel für ein menschliches Schwein, das sich auf Kosten seiner Kollegen nach oben geschleimt hat, schau dir Orchitis an«, hatte Neundorf ihm unlängst erklärt und hinzugefügt: »Aber tröste dich damit, was ›Orchitis‹ auf Deutsch bedeutet.«
Er hatte sich die Mühe gemacht, im Lexikon nachzublättern, war rot angelaufen vor Scham.
»Lässt sich der Kerl besser charakterisieren?«, hatte Neundorf am nächsten Tag lachend gefragt.
Braig hatte zugeben müssen, dass sie wieder einmal ins Schwarze getroffen hatte, denn im Lexikon hatte er den Eintrag ›Orchitis (lateinisch) = Hodenentzündung‹ gefunden. Wenn die Hodenentzündung persönlich Gübler vorgeladen hatte, dann gute Nacht.
»Ahnen Sie wenigstens«, hatte Gübler weiter gefragt, »wer auf Ihrem wunderbaren Fahndungsfoto zu sehen ist?«
»Ja, Herr Balk. Ein Manager der Firma Daimler-Chrysler.«
Die darauf folgende Totenstille war bald in einen wahren Orkan voller Beschimpfungen und Verwünschungen umgeschlagen. Braig hatte das Glück gehabt, ihn am Handy erleben zu dürfen. Neundorf steckte in solchen Momenten das Gerät in die Hosentasche, drehte Musik auf, wenn sie ein Radio parat hatte und gab sich den harmonischen Klängen hin.
»Diese elende Schlappergosch!« Der klobige Mann in seinem Wundergarten hatte sich immer noch nicht beruhigt, obwohl das Kontrahentenpaar längst verschwunden war. Braig trat an den doppelten Gartenzaun heran, um den eifrigen Kämpfer zu begrüßen.
»Interessante Pflanzen«, versuchte er sich einzuschmeicheln, »Sie sind Spezialist?«
Der Mann richtete sich überrascht auf und sah ihn mit grantiger Miene an. Braig glaubte, trotz des Ärgers einen Anflug von Stolz in seinen Gesichtszügen zu
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