Schwaben-Rache
nicht so lange mit seinen Spielern telefoniert, wäre es nicht zu der Entführung gekommen.
»Wie sind Sie zu dem Neubau gelangt?«
»Die haben mich einen Schleichpfad an den Gärten entlang geführt, immer unterhalb des Bahndamms am Rand des Dorfes. Wir sind über den Bach gesprungen und dann durchs Gras gelaufen.«
»Also kannten die Leute sich hier aus«, überlegte Braig laut.
»So gesehen, ja. Aber sie sind mir unbekannt.«
»Sie konnten sie nicht erkennen?«
»Mein Gott, ich hatte anderes im Sinn. Mir war nicht nach Heldentum zumute, jedenfalls nicht gestern.«
»Jaja, kann ich verstehen. Haben Sie mit den Leuten gesprochen?«
Konrad Bofinger setzte sich wieder aufs Sofa. »Die waren nicht sonderlich gesprächig. Wenn einer was sagte, dann sowieso nur der eine. Recht tiefe Stimme, fast wie ein ...«
Es knackte laut, als Stöhr herzhaft in eine Tafel Schokolade biss. Bofinger starrte ihn entgeistert an. »Ihr Zahnarzt baut wohl gerade sein zehntes Haus, wie?«
Stöhr konnte seinen Einwurf nicht verstehen. »Mhm, Stollwerck Alpia. Mandel. Wunderbar.«
Bofinger schüttelte den Kopf. »Oh, ihr Zahnärzte dieser Welt, frohlocket«, brummte er.
Braig beeilte sich, zum eigentlichen Thema zurückzukehren. »Sie kennen aber niemanden, zu dem diese Stimme passt.«
»Tut mir leid. Obwohl sie so außergewöhnlich war, wie abgehackt. Gerade so wie ein Kind, das beim Spielen seine Stimme verstellt, um eine andere Person nachzuahmen.«
»Das könnte aber doch bedeuten, dass der Mann seine Stimme nicht zu erkennen geben durfte, weil Sie ihn sonst hätten identifizieren können.«
»Das wäre möglich, ja«, gab Bofinger zu.
»Also stammen die Täter, zumindest einer, aus Lauberg, der Umgebung oder aus Ihrem Bekanntenkreis.«
Bofinger blickte ihn betroffen an.
»Der andere hat geschwiegen?«
Bofinger nickte.
»Gehört also auch zu Ihrer Umgebung.«
Aus Bofingers Augen sprach inzwischen nackte Angst. »Beide waren nicht besonders groß«, stammelte er, »höchstens so groß wie ich. Aber aus meinem Umkreis?«
Braig spürte, dass er die Gelegenheit nutzen musste. »Herr Kessel hat Ihr Wochenendhaus zerstört.«
»Er hatte allen Grund dazu.«
»Sie geben es also zu.«
»Wenn Sie keine Ruhe lassen. Es war seine Revanche. Schwaben-Rache sozusagen.«
»Weil Sie ihn gestern Nacht entführt haben«, konstatierte Braig.
»Lassen Sie den Schwachsinn. Ich hatte eine Affäre mit seiner Frau. Deshalb.«
»Frau Gübler hat da noch einiges mehr angedeutet.«
Bofinger schnellte aus dem Sofa empor. »Die alte Schlampe! Kommen Sie mir nicht mit der! Oder stehen Sie auf Lesben?«
»Mir schien die Frau sehr vernünftig.«
»Sie haben keine Ahnung. Wenn Sie die Gübler ernst nehmen, können wir unser Gespräch beenden. Oder kennen Sie sonst einen Menschen, der aus reiner Faulheit seinen Beruf aufgibt, um als Penner zu schmarotzen? Gilt als erfolgreiche Ärztin und wirft alles hin, von einem Tag auf den anderen.«
»Ärztin?« Braig war überrascht.
Bofinger lachte gezwungen. »Aha, das haben Sie nicht gewusst, allmächtiger Herr Polizeirat, wie? Ja, diese verrückte Lesbe hat als Fachärztin für Chirurgie im Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart gearbeitet und hockt jetzt hier in diesem Kaff.« Konrad Bofinger blühte sichtbar auf. Das Bewusstsein, dem unangenehmen Schnüffler Informationen vorauszuhaben, beflügelte ihn unübersehbar. Er marschierte vor dem Sofa auf und ab und lachte Braig ins Gesicht. »Eine faule, verkommene Schlampe.«
In Bofingers Weltsicht musste Frau Gübler in der Tat ganz unten angelangt sein, wenn sie es sich erlaubte, nicht länger nach beruflichem Erfolg und höherem Einkommen zu streben. Ihre Lebenseinstellung widersprach wohl allem, was Bofinger sich zum Lebensziel gesetzt hatte. Verständnis für ihren Lebensstil war in diesem Haus daher nicht einmal in Ansätzen zu erwarten. Wozu noch länger über sie reden?
Braig fiel der Bekennerbrief der Entführer ein. »Haben Sie das Schreiben der Täter gelesen?«
»Ihr Kollege hat mir den Quatsch gezeigt.«
»Sie halten nichts davon?«
Konrad Bofinger winkte mit den Händen ab. »Lohnt sich nicht, darauf einzugehen.«
»Wer könnte dahinterstecken? Wer hat ein Interesse, gegen Sie vorzugehen? Kann es mit dem Neubau der Straße zu tun haben?«
»Natürlich traue ich den Chaoten der Initiative gegen den Neubau der Bundesstraße, allen voran diesem vorbestraften Rädelsführer Kahn, nicht über den Weg.«
Braig schaute sein Gegenüber
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