Schwaben-Wut
»in der von Ihnen gemieteten Hütte.«
Keuerle sprang von seinem Stuhl, gestikulierte wild mit seinen Armen. »Ich schwöre«, rief er, »ich schwöre Ihnen, mein Ehrenwort, ich habe damit nichts zu tun.«
Die Biertrinker starrten vom anderen Ende des Raumes feindselig zu ihnen her.
»Setzen Sie sich wieder hin«, schimpfte Braig, wies dann zornig auf den Stuhl, als der andere nicht verstehen wollte. Langsam kam Keuerle seiner Aufforderung nach.
»Die Adresse dieses Fredi brauche ich. Wo ist der Kerl zu finden?«
Der Wirt starrte ihn mit großen Augen an. »Fredi«, stammelte er, »das geht nicht. Fredi? Nein.«
»Gut. Dann nehme ich Sie mit. Schließen Sie das Lokal und kommen Sie. Vielleicht fällt Ihnen dann bei uns im Amt Fredis Adresse wieder ein.«
Erstarrt blieb der Wirt auf seinem Stuhl sitzen, regte sich nicht.
»Haben Sie nicht gehört?«, fragte Braig.
»Fredi«, stotterte der Wirt, »ist doch tot. Seit zwei Wochen.«
29. Kapitel
Die Bilder auf dem Monitor zeigten eine fröhliche Hochzeitsgesellschaft. Die Braut in einem langen samtroten Kleid, der Bräutigam traditionell in tief dunklem Blau. Fröhliche, feierlich gekleidete Kinder, freundlich winkende Eltern, Geschwister und Gäste. Ein über und über mit Wimpeln und Fahnen geschmücktes kleines Wochenendhaus, zwei lange schmale Tische voller Schüsseln, Töpfe und Teller, Unmengen von Stühlen, alle quer über die Wiese verteilt. Kinder spielten mit Bällen, Reifen, einem ferngesteuerten kleinen Flugzeug, Erwachsene bedienten sich am übervollen Büfett oder bummelten auf den Wegen rings um das kleine Grundstück.
Als die dunkle Hütte plötzlich auf dem Bildschirm auftauchte, riss es Neundorf fast vom Stuhl. Sie zeigte auf den Monitor, sah Braigs zustimmendes Nicken. Er war auf ihre Bitte hin, nach dem Gespräch mit Robert Keuerle, sofort nach Stuttgart ins Landeskriminalamt zurückgekehrt, hatte den Termin mit Stechers ehemaligem Lehrer auf den Sonntag verschoben.
»Nicht wahr, das ist die Hütte«, sagte Neundorf.
Die Kamera schwenkte leicht zur Seite, folgte einer Gruppe Kinder, die einen Anhänger vollbepackt mit Mädchen und Jungen hinter sich herzogen und geradewegs auf das Anwesen am Waldrand zusteuerten. Rings um das Grundstück erstreckte sich ein etwa mannshoher Maschendrahtzaun. Die Kinder hatten das Ende des Zauns gerade erreicht, als eine dunkle Limousine ins Bild kam. Sie kam den schmalen asphaltierten Weg von der anderen Seite her hoch, stoppte, schwenkte dann auf das Gelände vor dem dunklen Gebäude und hielt an.
Braig und Neundorf sahen den mächtigen Steinsockel aus gleichmäßigen, rechteckig geschlagenen Sandsteinblöcken zu Füßen der Hütte. Plötzlich öffnete sich die Tür, gab für Sekunden den Blick auf mehrere leichtbekleidete junge Frauen frei, die flankiert von zwei kräftigen, fast kahlköpfigen Männern nebeneinander auf einer Bank im Eingangsbereich saßen. Sie trugen knapp sitzende BHs oder Tops, winzige Slips, hochhackige Pumps, starrten auf die Scheiben der Limousine, die dunkel getönt waren.
Neundorf glaubte, nicht richtig zu sehen. »Mein Gott, was ist da los?«
Bevor sie begriffen hatten, was sich da abspielte, schwenkte die Kamera wieder um, den Kindern folgend. Zwei Jungen zogen den Anhänger in schnellem Lauf den Weg entlang, passierten den Maschendrahtzaun, näherten sich dem Eingang zu dem Grundstück. Die Kinder in dem holprigen Gefährt johlten vor Begeisterung.
Abrupt wechselte der Standort der Kamera. Die Aufnahmen zeigten jetzt die spielende Gruppe unmittelbar vor dem Eingang des umzäunten Geländes. Vorne die Kinder, auf und von dem Anhänger auf den Boden springend, ein Ball, der auf das Tor zu rollte, dahinter die dunkle Limousine und einer der fast kahlköpfigen Männer, ein halbnacktes, wild um sich schlagendes, deutlich widerstrebendes Mädchen in den Armen, das er trotz heftiger Gegenwehr im Fond des Autos verstaute. Dann wieder die Hütte mit den übrigen leicht bekleideten weiblichen Personen, vom zweiten Glatzkopf bewacht, plötzlich die kräftigen Männer, vom Gebäude und vom inzwischen verschlossenen Auto direkt auf die Kamera zuspringend.
»Verschwinden Sie sofort!« brüllte der eine mit aggressivem Unterton. Der Akzent seiner Aussprache war nicht zu überhören.
Der Mann kam auf die Kamera zu, hielt sich die linke Hand schützend vors Gesicht, dann war die Aufnahme beendet. Neundorf hatte gerade noch wahrgenommen, wie der dunkle Daimler mit quietschenden Reifen
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