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Schwaben-Zorn

Titel: Schwaben-Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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rechten Fuß des strauchelnden Verbrechers. Kreischend schlug er auf dem Boden auf und riss Lisa damit aus ihrer Trance. Was sie so geistesgegenwärtig reagieren ließ, wusste sie später nicht mehr zu erinnern. Bevor der Mann nach der Waffe greifen konnte, stieß sie sie mit einem kräftigen Tritt von sich weg. Das gefährliche Ding glitt mit einem leichten Knirschen über den Boden der Bahnhofshalle, verschwand mitten in einem dichten Pulk von Passanten.
    Lisa nutzte die unverhoffte Chance. Sie sprang über den ungezogenen Jungen, kämpfte sich mitten durch die Menschenmenge. Wütende Stimmen, Schimpfworte, Verwünschungen schallten hinter ihr her. Sie rannte quer durch die Halle, sah die erschrockenen Gesichter der ihr entgegeneilenden Passanten, versuchte auszuweichen, sich zwischen den den Gleisen Zustrebenden durchzulavieren. Wenige Meter hinter der Buchhandlung prallte sie auf eine ältere, mit zwei Taschen beladene Frau, warf sie zur Seite. Sie schaute sich nicht um, rannte einfach weiter, zeterndes Gekeife hinter sich. Der Bahnhofslautsprecher kündigte die Ankunft verschiedener Züge an, wies auf eine zusätzliche Fahrtmöglichkeit hin.
    Lisa achtete nicht auf den Inhalt der Worte, erreichte das Ende der Halle. Sie beschloss, den Ausgang zum Busbahnhof zu nehmen, rannte auf die schmale Treppe zu. Im selben Moment öffnete sich die Fahrstuhltür des Bahnhofsturms. Sie reagierte blitzschnell, spurtete nach links, warf sich zwischen den sich schließenden Türen in den Lift.
    Ein älteres japanisches Paar betrachtete sie stirnrunzelnd, als der Fahrstuhl in die Höhe schoss. Abgekämpft lehnte sie in der Ecke, wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie hoffte, ihrem Verfolger endgültig ein Schnippchen zu schlagen, konnte sich nicht erinnern, den Mann in den letzten Sekunden ihrer Flucht noch wahrgenommen zu haben.
    Der Lift fuhr ohne Halt bis zum obersten Stockwerk, kam dann abrupt mit leichtem Schwanken zum Stehen. Sie wartete, bis das japanische Ehepaar ausgestiegen war, trat in den Gang, hatte den würzigen Kaffeeduft sofort in der Nase. Die Tür zum Turmbistro stand einen Spaltbreit offen. Lisa sah das japanische Ehepaar die Stufen zur Aussichtsplattform hinauf verschwinden, entschloss sich zum Besuch des Lokals.
    Sie öffnete die Tür, betrat den Innenraum, sah, dass er nur spärlich besetzt war. Drei Frauen, ein junges Paar, zwei ältere Männer. Sie schaute zum Fenster, bemerkte die Lichter auf den umliegenden Höhen, deren Schein nur schemenhaft durch den Abendnebel drang. Neben ihr läutete die Glocke des zweiten Turmfahrstuhls, kündigte die Ankunft eines Lifts an. Sie stand genau davor, als die Tür zur Seite schwang, erstarrte vor Schreck: die hasserfüllte Miene des Mannes überzog sich innerhalb von Sekundenbruchteilen mit hämischem Grinsen.
    »Den Umschlag«, zischte er, »her damit!« Der harte Akzent seiner Sprache war nicht zu überhören.
    Lisa reagierte impulsiv. Sie drehte auf der Stelle um, sprang die Treppe hoch, öffnete die gläserne Außentür. Die Plattform war fast menschenleer, nur die beiden Japaner lehnten in einer Ecke vor dem hohen Metallgitter und starrten in die Tiefe. Von der Stuttgarter Innenstadt war nicht viel zu erkennen, allein das Lichtermeer verschiedener Kaufhäuser schimmerte bunt durch die Nebelschwaden. Die rings um den Talkessel aufragenden Höhenzüge ließen sich noch gerade schemenhaft erahnen.
    Sie überquerte die Plattform, sprang auf die andere Seite, wo die Treppe nach unten führte. Der Mann stand wie aus dem Boden gewachsen vor ihr, als sie die Tür aufzog. Die verschlagen blickenden Augen, das zuckende Lid, sein hämisches Grinsen. Statt sie zu verfolgen, war er ihr entgegengelaufen.
    »Den Umschlag!«
    Sie spürte ihren Puls jagen, wich vor dem Mann zurück. Er folgte ihr, ließ sie nicht aus den Augen. Sie bewegte sich in die Richtung des japanischen Paares, wurde von ihrem Verfolger zur Seite gedrängt.
    »Den Umschlag«, wiederholte er drohend.
    Sie blickte sich um, erkannte die Aussichtslosigkeit ihrer Situation. Rings um die Plattform ein etwa drei Meter hohes, eng geschmiedetes Metallgitter, um Unfällen und Selbstmorden vorzubeugen, dahinter wabernde Nebelschwaden und das im Abenddämmer versunkene Zentrum Stuttgarts. Sie blickte in die Tiefe, erkannte einzelne Passanten, die wie Spielzeugfiguren durch die Fußgängerzone liefen und nach wenigen Augenblicken vom dichten Nebel verschluckt wurden.
    Plötzlich spürte sie die Hand des Mannes. Er

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