Schwaben-Zorn
anderer Gäste zu erinnern, wusste er keinen Namen der übrigen Besucher zu nennen.
Blieb nur die Chance, über die Medien nach den Gästen dieses Abends zu suchen und darauf zu hoffen, dass sich irgendjemand die Zeit gemerkt hatte, zu der Meyer und Christina Bangler gegangen waren. Braig und Neundorf behielten sich diesen Schritt als Notlösung vor, waren sich aber der Problematik und der Unwägbarkeit dieser Methode von vornherein bewusst.
Wie immer man es drehte und wendete, Meyers Aussage trug nicht dazu bei, seine Unschuld zu beweisen. In Anbetracht der Auseinandersetzung mit Christina Bangler, die er mit eigenen Worten bestätigt hatte, und in Kenntnis seiner bereits aktenkundig gewordenen Gewaltattacken gegen verschiedene Frauen befand er sich bei einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft in einer weitgehend aussichtslosen Position. Kein Untersuchungsrichter würde sich dem Ansinnen, den Mann vorläufig in Gewahrsam zu halten, widersetzen.
»Wenn die DNA-Analyse positiv ausfällt, hilft Ihnen nichts mehr«, drohte Braig, »dann sitzen Sie für den Rest Ihres Lebens hinter Gittern.« Er wusste, dass es nicht so einfach war, dass auch ein positiver Befund noch lange keinen vom Gericht akzeptierten Beweis darstellte, versuchte Meyer einzuschüchtern, um ihn endlich zu einem Geständnis zu bewegen. Braig fühlte sich müde und ausgelaugt, litt schon seit Stunden wieder unter pochenden Kopfschmerzen.
Die Dämmerung war längst hereingebrochen, Neonröhren tauchten das Büro in ihr kaltes Licht, als der Mann seinen Widerstand aufgab. »Holen Sie Ihre Kollegin«, erklärte er, »und schalten Sie Ihr Tonband ein. Ich will nicht alles zweimal sagen.«
Braig atmete tief durch, wählte Neundorfs Nummer, bat sie zu kommen. »Herr Meyer scheint bereit zu sein auszupacken.«
Keine halbe Minute später stand sie im Raum.
»Also«, meinte sie, »Sie wollen endlich zur Sache kommen.«
Lorenz Meyer erhob sich von seinem Stuhl, legte seine dunkelgraue Anzugjacke ab, wies zum Waschbecken. »Darf ich mich kurz erfrischen?«
Braig betrachtete ihn verwundert, nickte. »Wenn es Ihnen hilft.«
Der Mann krempelte die Ärmel seines vornehmen weißen Hemdes hoch, wusch seine Hände und sein Gesicht.
»Ich habe ein Alibi«, erklärte der Autohändler. Er stand vor dem Waschbecken, brachte die Ärmel seines Hemdes wieder in Ordnung, wischte den Rest der Feuchtigkeit aus seinem Gesicht.
»Wofür?«
»Für die Zeit, nachdem Christina und ich uns trennten.«
»Was für ein Alibi soll das sein?« Neundorf war Skepsis in Person.
»Punkt 22.15 Uhr war ich bei einer Frau. In Böblingen, über 30 Kilometer von Waiblingen entfernt.«
»Genau um Viertel nach zehn? Woher wollen Sie das so genau wissen?«
»Weil gerade die Nachrichten im dritten Programm begannen. Die Uhr war eingeblendet und die Titelmelodie lief. Südwest Fernsehen Aktuell. Ich erinnere mich noch genau daran.«
»Uber 30 Kilometer von Waiblingen entfernt?«
»Ich sage Ihnen doch, Christina und ich verließen das Café um Fünf vor zehn. Sie gab mir ihr Handy zurück und dann trennten wir uns voneinander.«
»Sie gab Ihnen das Handy zurück?«
»Ja, sie wollte es partout loswerden. Sie gab einfach keine Ruhe, da nahm ich es eben.«
»Und dann?«
»Ich ging zu meinem Wagen, rief in Böblingen an und fuhr sofort hin. Mit einem angebrochenen Abend gebe ich mich nicht zufrieden, ich erwähnte es.«
»Warum fällt Ihnen das jetzt erst ein?«
»Das sind persönliche Gründe.«
»Geht es etwas verständlicher?«
»Die Dame lebt nicht allein. – Begreifen Sie jetzt, weshalb ich so lange damit zurückhielt?«
Neundorf betrachtete ihn aufmerksam, prägte sich seinen Gesichtsausdruck genau ein. Der Mann schien erleichtert, als habe er sich endlich von einem gewaltigen Druck befreit.
»Name, Anschrift, Telefonnummer?«
»Ich bitte um größte Diskretion«, erwiderte Meyer, »ihre Angehörigen wissen nichts davon. Ich halte sie für unberechenbar.«
»Wir tun, was wir können. Also, Name und Adresse?«
Er schlurfte erschöpft zu seinem Stuhl zurück, zog seine Jacke wieder an. »Serpil Ince in Böblingen.«
Neundorf sah auf, schaute ihn misstrauisch an. »Was ist das für ein Name?«
»Sie ist Türkin.«
Sie notierte sich Anschrift und Telefonnummer der Frau. »Ich versuche es von meinem Büro aus.«
Braig nickte, sah Meyers angestrengte Miene.
»Könnten Sie es nicht hier, in meiner Anwesenheit, versuchen?«
»Damit Sie ihr einflüstern, was sie zu sagen
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