Schwaben-Zorn
dann?«
Pflüger war es schwer gefallen weiterzusprechen. Er hatte mehrfach dazu angesetzt, seinen Bericht erst nach einigen vergeblichen Anläufen fortgeführt. »Ich lief mitten durch den Nebel. Nichts war zu erkennen, alles unter einem dichten Schleier verborgen. Es herrschte ein fahles, unwirkliches Licht. Nur die Umrisse der Häuser und der Autos waren da, aber auch erst in dem Moment, wenn man sich direkt davor befand. Ich überquerte die Straße, kam auf den Parkplatz. Plötzlich stand Nadine vor mir, unmittelbar aus dem Boden gewachsen und fuchtelte mit ihren Autoschlüsseln vor mir rum. Ich blieb stehen, starrte sie an. Sie grinste mich höhnisch an, wandte mir dann den Rücken zu. Ich brauchte nicht zu überlegen, es war ein Reflex …«
»Wer ist Nadine?«
»Eine frühere Freundin. Wir waren über ein Jahr lang zusammen, bis ich sie mit einem andern erwischte. Die Sache lief schon seit Wochen, bis ich es endlich bemerkte. Sie hat mich nach Strich und Faden verarscht. Der Kerl war ein reicher Schnösel, der sie mit seinem Cabriolet becircte. Unsere Beziehung war von einem Tag zum anderen zu Ende. Und dann stand sie plötzlich, aus dem Nebel aufgetaucht, vor mir, grinste mich höhnisch an und ich weiß nur noch, wie Zorn in mir hochstieg und ich mich auf sie stürzte …« Pflüger hatte dies alles nur stockend vorgetragen, sich mehrfach dabei unterbrochen. »Ich stürzte mich auf sie und erwischte sie am Rücken. Mehr weiß ich nicht. Filmriss.«
»Sie haben die Frau ermordet. Karen Rommel, nicht ihre ehemalige Freundin Nadine.«
Der Autoverkäufer hatte den Kopf mehrfach hin und her geworfen, mit glasigem, fast irrem Blick vom einen zum anderen gestarrt, war dann heulend zusammengebrochen, »ich wollte es doch nicht, ich wollte es doch nicht«, vor sich hin stammelnd.
Braig hatte angesichts des widerwärtigen Verbrechens keinen Anlass gesehen, den Mann zu schonen. »Und Christina Bangler, weshalb haben Sie Christina Bangler getötet?«
Pflüger war erst nach mehreren Minuten soweit gewesen, die Frage des Kommissars zu verstehen. »Wer soll das sein?«
»Die Frau, die Sie am Montagabend in Waiblingen getötet haben. Oder wollen Sie uns sagen, dass Sie auch Frau Bangler vorher noch nie gesehen haben?«
»In Waiblingen?« Er hatte nur den Kopf geschüttelt, sie dann mit irren Blicken angegafft. »Was wollen Sie mir noch alles in die Schuhe schieben? Ich war noch nie in Waiblingen. Die Stadt kenne ich überhaupt nicht.«
»Sie halten uns für selten dämlich, wie? Ich wiederhole meine Frage: Weshalb haben Sie am Montagabend Christina Bangler getötet?«
Pflüger war abrupt von seinem Stuhl aufgesprungen, hatte seine Hände zu Fäusten geballt und blindlings auf Braigs Schreibtischplatte eingedroschen. Kugelschreiber und Bleistifte waren in die Höhe katapultiert worden, die Computertastatur hin und her gerutscht.
»Jetzt beruhigen Sie sich endlich!«, hatte Neundorf gebrüllt. Sie war aus ihrem Sitz geschnellt, hatte den Mann an der Schulter gepackt und ihn wieder auf seinen Stuhl gedrückt. »Antworten Sie auf unsere Fragen!«
Der Autoverkäufer hatte verwundert zu ihr aufgeblickt, war dann aus seinem Trance-ähnlichen Zustand erwacht. »Am Montagabend?«, hatte er laut überlegt und dann, nach kurzem Zögern, hinzugefügt: »Montag ist unser Kneipen-Tag. Wir waren im Sudhaus in Ludwigsburg, wie immer.«
»Wer wir?«
»Jojo und Marc.«
So sehr sie sich bemüht hatten, seine Antwort als billige Ausrede abzutun, so hartnäckig hatte er auf ihr beharrt.
»Fragen Sie Jojo und Marc.«
»Wer soll das sein?«
Er hatte ihnen die vollen Namen und Adressen der Männer genannt, anschließend Braigs Aktivitäten verfolgt, die Telefonnummern der beiden zu ermitteln. Joachim Haag und Marc Reichel wohnten in Kornwestheim bzw. Markgröningen und arbeiteten in der Kaffeefabrik am Ludwigsburger Bahnhof. Braig kannte die Firma, hatte den markant-würzigen Duft, der bei bestimmten Wetterlagen über weiten Teilen der Innenstadt lag, schon oft selbst wahrgenommen.
Die Männer zu erreichen, war mit viel Glück gelungen. Beide hatten ihren Arbeitsplatz gerade verlassen, waren nacheinander vom Abteilungsleiter ans Telefon gerufen worden. Braig hatte sowohl von Haag als auch von Reichel übereinstimmend erfahren, dass sie sich am vergangenen Montag, wie an diesem Wochentag üblich, gemeinsam mit Pflüger von 20 Uhr an bis kurz nach Mitternacht im Sudhaus in der Nähe des Ludwigsburger Bahnhofs aufgehalten
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