Schwaerzer als der Tod Thriller
»Verzeihung?«
»Sie haben gern alles unter Kontrolle«, erklärte er ohne jede Bosheit. »Sie wollen das Sagen haben. Ich wette, wenn ich in Ihrer Küche nachsehe, finde ich dort eine große Pinnwand mit einem Terminkalender, in den alles mit verschiedenen Farben eingetragen ist. Habe ich recht?«
Sie wurde mit jeder Sekunde wütender. »Gegen Ordnung ist wohl kaum etwas einzuwenden.«
»Ganz und gar nicht. Bei Kontrollsucht sieht die Sache allerdings anders aus«, sagte er. »Jemand mit Kontrollsucht wird sauer, wenn die Leute andere Vorstellungen haben als er, wenn sie nicht nach seiner Pfeife tanzen, wenn sie Fragen stellen, die er nicht beantworten will.«
Jetzt ließ er die Maske des liebenswürdigen Mannes endgültig fallen. »Das bringt bei Ihnen das Fass ganz schnell zum Überlaufen, und Sie glauben, Sie könnten andere Leute anschreien und ihnen drohen und jedem, der Ihnen in die Quere kommt, das Leben schwermachen.«
Verblüfft darüber, dass jemand es wagte, so mit ihr zu reden, blieb ihr der Mund offen stehen. »Verzeihung«, sagte sie erneut.
»Sie wollen nicht, dass ich etwas verzeihe«, sagte Vince barsch. »Am liebsten würden Sie mir einen Tritt in die Eier verpassen, nicht wahr? Weil ich nicht tue, was Sie wollen, und Ihnen nicht glaube, was Sie mir weismachen wollen.
Ich bin größer als Sie und gemeiner als Sie, und ich kaufe Ihnen Ihre Drohgebärden nicht ab«, sagte er. »Ich bin keine kleine Grundschullehrerin, die Sie herumschubsen und einschüchtern können.«
Janet Cranes Gesicht war mittlerweile dunkelrot, die Augen quollen ihr aus dem Kopf. Vince wartete nur noch darauf, dass sich ihre Haare sträubten. Sie deutete auf die Tür.
»Raus! Verlassen Sie auf der Stelle mein Haus!«
Vince lachte ihr ins Gesicht. »Oder was? Rufen Sie sonst die Polizei?« Er zeigte mit dem Daumen auf Mendez. »Ich habe die Polizei mitgebracht. Wo ist Ihr Zeuge? Wer sagt zu Ihren Gunsten aus? Das Kind, das Sie unter Drogen gesetzt haben, damit es schläft und Sie nicht stört?«
Sie drehte sich zu Mendez. »Wollen Sie denn überhaupt nichts unternehmen?«
Mendez hätte sein Desinteresse kaum noch deutlicher zur Schau tragen können, er konnte sich gerade mal zu einem Achselzucken aufraffen. »Er ist im Rang über mir.«
»Ich rufe meinen Mann an«, sagte sie und stürmte den Flur hinunter in ein hübsches Arbeitszimmer mit zwei Schreibtischen und deckenhohen weißen Bücherregalen.
»Dann wissen Sie also doch, wo er ist«, sagte Vince.
Sie funkelte ihn wütend an, während sie den Hörer von der Gabel riss. »Er hat ein Telefon in seinem Auto.«
»Ach wirklich? Wofür denn? Damit er im Fall einer Notzahnreinigung erreichbar ist?«, fragte Vince. »Das ist ein ziemlich teures Spielzeug…«
»Na und?«, blaffte sie zurück und wählte eine Nummer.
»Er arbeitet den ganzen Tag in einer Praxis, die kaum zehn Minuten von hier entfernt liegt. Wozu braucht er da ein Mobiltelefon? Gerade haben Sie gesagt, dass er nur selten das Haus verlässt, wenn er nicht arbeitet. Er ist doch sowieso dauernd an Ihrem Gängelband.«
»Aber jetzt ist er nicht hier«, warf Mendez ein.
»Stimmt«, sagte Vince. »Allerdings bezweifle ich, dass er und seine Freunde in seinem Auto Karten spielen, und warum sollte er dieses Telefon zum Kartenspielen mitschleppen? Für diese bescheuerten Dinger braucht man einen Koffer.«
»Das ist tatsächlich eigenartig«, pflichtete Mendez ihm bei. »Es sei denn, er steht dermaßen unter dem Pantoffel.«
»Ist es so?«, fragte Vince, drückte auf die Gabel und unterbrach die Verbindung. »Haben Sie Ihren Mann so gut dressiert, Mrs Crane?«
Mittlerweile standen ihr vor Wut die Tränen in den Augen, und ihre Lippen zitterten vor Anstrengung, Gift und Galle zurückzuhalten, die sie hätte spucken wollen. Ihrer Kehle entfuhr ein erstickter gurgelnder Laut.
»Diese Art von Dominanz- und Kontrollverhalten kann nämlich beim anderen ein paar ziemliche hässliche Reaktionen auslösen«, sagte Vince.
»Edmund Kemper«, kam Mendez ihm zu Hilfe.
Vince nickte. An Janet Crane gerichtet, fuhr er fort: »Edmund Kemper litt so viele Jahre unter der Unterdrückung durch seine Mutter, dass er zum Schluss anfing, seine Kommilitonen zu ermorden und ihnen die Köpfe abzuschneiden, um den psychischen Druck loszuwerden.«
»Mein Mann ist kein Mörder!«, schrie sie.
»Sind Sie sich da sicher?«, fragte Vince ruhig. »Er war der Letzte, der Karly Vickers am Tag ihres Verschwindens gesehen hat. Er
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