Schwaerzer als der Tod Thriller
»Karly Vickers könnte irgendwo da draußen sein, und genau in diesem Moment könnte die Uhr für sie ablaufen - falls sie nicht schon tot ist. Wahrscheinlich fragt sie sich, ob jemand nach ihr sucht, ob überhaupt jemand gemerkt hat, dass sie verschwunden ist.«
»Lisa Warwick ist an einem Freitag verschwunden«, sagte Mendez. »Zwölf Tage später wurde sie tot aufgefunden. Karly Vickers ist vergangenen Donnerstag verschwunden. Hoffen wir, dass unser Mörder sich an einen Zeitplan hält.«
Vince sah ihn ernst an. »Darauf würde ich lieber nicht zu hoch wetten.«
31
Mendez starrte auf den verwesten menschlichen Finger, der neben der Tribüne bei der dritten Base auf dem Boden lag. Fliegen umkreisten ihn und krabbelten darauf herum. Der Verwesungsprozess war bereits so weit fortgeschritten, dass die Haut aufgeplatzt war und sich abzulösen begann.
Er warf einen Blick zu Vince, der sich auf eine der Bänke gesetzt hatte. Sie hatten die Meldung erhalten, als sie nach dem Besuch in Cranes Praxis zum Auto zurückgekommen waren. Fahren Sie sofort zur Grundschule. Das klang nicht gerade nach einem Ort für ein Verbrechen. Und das Verbrechen klang auch nicht so, als müsste man deswegen die Polizei rufen - ein Kind hatte ein anderes Kind während des Sportunterrichts verprügelt.
Ein abgetrennter menschlicher Finger, das musste Vince einräumen, war eine andere Sache. Er schüttelte zwei Tabletten aus einem kleinen weißen Fläschchen und schluckte sie.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Mendez.
»Kopfschmerzen«, sagte er. Kopfschmerzen, als hätte ihm jemand den Schädel mit einer Axt gespalten.
»Was halten Sie davon?«
»Dem Opfer fehlt ein Zeigefinger. Das hier ist ein Zeigefinger. Da bedarf es nicht des Scharfsinns eines Sherlock Holmes.«
Hicks beugte sich ebenfalls über den Finger. Er verscheuchte die Fliegen. Nach zwei Sekunden waren sie wieder da. »O Mann, das ist ja’n Ding. Der Farman-Junge muss ihn am Dienstagabend vom Fundort der Leiche mitgenommen haben.«
»Das Mädchen sagte, er hätte die Leiche angefasst«, erwiderte Mendez. »Sie hat nichts davon gesagt, dass er ihr einen Finger abgetrennt und in die Tasche gesteckt hat.«
»Tüten Sie den Finger ein, und dann reden wir mit dem Jungen«, sagte Vince und erhob sich. »Ich bin gespannt, was er dazu zu sagen hat.«
Sie fanden ihn im Konferenzzimmer. Dennis saß mit trotzigem Gesicht auf einem Stuhl, seine Lippe war aufgeplatzt, seine Kleidung verdreckt. Seit er von Mr Alvarez nach drinnen
verfrachtet worden war, hatte er kein Wort gesagt. Der Sportlehrer hatte Anne erzählt, dass er noch draußen auf dem Baseballfeld gute zehn Minuten gewütet hatte, bevor er sich halbwegs beruhigte.
»Er hat nicht aufgehört, um sich zu schlagen und zu treten, und dabei die schlimmsten Schimpfwörter gebrüllt, die ich jemals gehört habe«, sagte er. »Als wäre er besessen oder so was in der Art. Ich konnte ihn nur mit Mühe bändigen.«
Das allein war schon beängstigend, dachte Anne. Dennis war zwar größer als alle seine Mitschüler, aber er war trotzdem noch ein Kind. Paco Alvarez war gebaut wie ein Preisboxer mit muskulösen Armen.
»Ich glaube, wenn ich nicht da gewesen wäre, um einzuschreiten, hätte er Tommy Crane umgebracht«, flüsterte er und sah hinüber zu Dennis, als rechnete er jeden Moment damit, dass er über den Tisch sprang und sich wie ein wildes Tier auf ihn stürzte.
Dennis hob den Kopf und sah sie finster an, als wollte er sagen: »Was glotzt ihr denn so?«, dann starrte er wieder auf die Tischplatte.
»Er hatte offenbar einen richtigen Tobsuchtsanfall«, sagte Alvarez. »Der Junge hatte blutunterlaufene Augen, sehen Sie das? Wie ein Kampfhund.«
Anne verstand nichts von Kampfhunden. Allmählich beschlich sie das Gefühl, dass sie von nichts besonders viel verstand. Hätte sie nicht die Warnzeichen bei Dennis Farman erkennen müssen? Oder hatte sie diese Warnzeichen mit bequemen Erklärungen beiseitegewischt: Dennis ist unsicher, Dennis ist eifersüchtig, Dennis ist eben einfach ein Rabauke. Vielleicht gab es so etwas gar nicht.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Paco«, erwiderte sie leise. »Vor solchen Problemen, wie sie der Junge hat, muss ich kapitulieren.«
Die Tür öffnete sich, und Garnett trat ein, gefolgt von Detective Mendez und zwei weiteren Männern - einer davon war rothaarig, Mitte dreißig und hatte eine Dienstmarke am Gürtel, der andere war groß gewachsen und Ende vierzig. Er hatte ein
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