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Schwanengrab

Schwanengrab

Titel: Schwanengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schwarz
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nicht heute, denn jetzt musste ich los. Schnell wusch ich die Pinsel aus und drückte die Farbtöpfe zu. Genau in diesem Moment kam Frau Krahe zu mir hinter den Vorhang.
    »Ach, du packst schon zusammen? Ich wollte gerade zu dir«, meinte sie verwundert. »Das ist ja zauberhaft geworden. Sehr schön, wie du es geschafft hast, diese Stimmung einzufangen, Samantha. Und nächstes Mal werde ich dir dann helfen.«
    Im Moment dachte ich nur an mein Treffen mit Mike, nickte kurz und hetzte ins Lehrerzimmer. Hoffentlich würde das Gespräch mit Herrn Simon nicht zu lange dauern, sonst verpasste ich noch den Bus. Leider musste ich tatsächlich einige Minuten auf ihn warten.
    »Entschuldige bitte die Verspätung«, meinte er, legte seinen Arm um meine Schulter und zog mich in das Büro. Er setzte sich lässig auf die Tischkante und hielt mir meinen Test hin. Eine rote Sechs leuchtete mir entgegen.
    »Tut mir leid, Sam, dass deine erste Arbeit so schlecht ausgefallen ist. Ihr habt wohl auf deiner alten Schule doch einen komplett anderen Stoff durchgenommen ...«, versuchte er mich zu trösten.
    Von wegen! Mathe war noch nie meine Stärke gewesen.
    »Aber ich hätte einen Vorschlag«, sprach Herr Simon weiter und lächelte aufmunternd. »Ein Junge aus der Elften gibt Nachhilfeunterricht. Ich werde ihn fragen, ob er noch Zeit für ein paar Zusatzstunden hat. Komm morgen nach der Schule wieder hierher, dann werde ich dich ihm vorstellen, in Ordnung?«
    »Okay.« Im Moment war mir alles recht, wenn ich nur endlich hier wegkam.
    Wenigstens stand mein Fahrrad noch so da, wie ich es verlassen hatte – mit vollen Reifen. Ich jubelte innerlich. Dies war wirklich ein guter Platz.
    Bis auf die Sechs in Mathe und die Blicke der anderen Mädchen war der Tag eigentlich bisher gar nicht so schlecht gelaufen. Die Arbeit am Bühnenbild hatte mir mehr Spaß gemacht, als ich gedacht hatte. Meine Stimmung war so gut wie schon lange nicht mehr. Ich fuhr, so schnell ich konnte, zur Haltestelle und erwischte gerade noch den Bus. Eine richtige Glückssträhne! Die Fahrt dauerte eine halbe Stunde. Entspannt lehnte ich mich auf meinem Sitzplatz zurück und betrachtete die Landschaft, die an mir vorbeizog. Die Gegend hier war echt schön. Mit sanften Hügeln und vielen Wäldern. Wir fuhren ein Stück an der Mosel entlang, dann bog der Bus ab.
    An der nächsten Station musste ich raus. Ich spürte, wie meine Nervosität von Minute zu Minute stieg. Ob Mike schon auf mich wartete? Und wie er wohl aussah?
    Der Bus bog in eine kleine Ortschaft und hielt nach wenigen Metern an. Unser Treffpunkt lag direkt an der Haltestelle, hatte Mike gesagt. Die Türen schwangen auf und ich traute meinen Augen nicht. Das musste wohl ein Irrtum sein. Warum sollte sich Mike hier mit mir treffen wollen? Ausgerechnet an so einem Ort? Keine Spur von einem Café! Bestürzt blickte ich auf das große Portal mit den schweren, weit offen stehenden Eisentoren. Dahinter lag ... ein Friedhof.

Kapitel 9
    Ich hielt dem Busfahrer meinen Zettel hin.
    »Ist das hier richtig?«
    Er nickte nur. Was zum Kuckuck sollte das? Warum bestellte mich Mike auf einen Friedhof?
    »Raus oder rein!«, knurrte der Mann hinter dem Steuer.
    Wenn ich das wüsste!
    Es war fünf Minuten vor fünf, als ich ausstieg. Diesmal war ich also pünktlich, aber einen Jungen entdeckte ich nirgendwo. Gleich neben dem Friedhof gab es einen Blumenladen. Auf der anderen Straßenseite entdeckte ich einen Drogeriemarkt und ein kleines Café. Also doch! Ich überquerte die Straße, aber das Café war geschlossen. Ruhetag! Im Drogeriemarkt war kein einziger Kunde, nur eine gelangweilt wirkende Kassiererin, die mich noch nicht einmal grüßte.
    Langsam ging ich wieder zurück zur Bushaltestelle und wartete geduldig vor dem Friedhofsportal. Das Areal dahinter war klein und überschaubar. Weit und breit war niemand zu sehen, nur eine alte Frau kam an mir vorbei. In der Hand hielt sie einen kleinen Tontopf mit gelben Blüten. Auf dem Grab meiner Mutter wuchsen ähnliche Blumen, dachte ich und schluckte den dicken Kloß runter, der sich in meinem Hals bildete.
    Eine Viertelstunde später hatte ich das dringende Verlangen, von hier wegzukommen.
    Irgendetwas stimmte nicht mit Mike. Es war nun schon das zweite Mal, dass er mich treffen wollte und dann nicht erschien. Spielte er vielleicht ein übles Spiel mit mir? Und ich fiel ständig darauf herein? Vielleicht machte er sich einen Spaß daraus, die Neue auf den Arm zu nehmen. Im

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