Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Katrin und Manfred die Hand zu schütteln. »Mein Name ist May Freeman. Kommen Sie, um Rose zu besuchen? Kennen Sie meine Nichte?«
Manfred stellte Katrin und sich vor. Als er erklärte, wer er war, traten ihr die Tränen in die Augen. »Sie sind verwandt mit Angelika Grauweiler? Kannten Sie sie?«
Manfred schüttelte bedauernd den Kopf. »Leider nein, sie starb, bevor ich geboren wurde.«
May nickte. »Ich verstehe. Ich freue mich trotzdem, Sie kennenzulernen. Schließlich sind wir eine Familie. Wussten Sie das?«
» Ja, ich weiß.« Der Gedanke, mit dieser sympathischen fremden Frau verwandt zu sein, berührte Manfred. »Sie sprechen übrigens sehr gut Deutsch.«
»Mein Vater hat darauf bestanden, dass wir alle Deutsch lernen. ›Eines Tages werdet ihr eure Schwester treffen‹, hat er immer zu Judy und mir gesagt, ›dann müsst ihr doch mit ihr reden können. Ihr werdet euch so viel zu erzählen haben.‹«
»Ist Judy Rosemarys Mutter?«, fragte Katrin.
»Ja. Die Arme macht sich solche Sorgen um Rose.« May drehte sich zum Bett um und strich sanft mit den Fingern über die reglose Hand ihrer Nichte. »Poor little angel«, murmelte sie. »Poor little angel. What have they done to you?«
Bei den Worten ›armer kleiner Engel‹ musste Manfred an das Mädchen in der geheimen Kammer denken. Die Mumie, die Rosemarys Tante und Mays Schwester gewesen war. Er sah zum Bett. »Wie geht es ihr?«
May hörte nicht auf, die Hand zu streicheln. »Ihr Zustand ist unverändert. Aber sie schwebt nicht mehr in Lebensgefahr. Zumindest nicht, was den Unfall angeht.« Sie schaute zu der Tür, hinter der der Polizist Wache hielt.
Manfred runzelte die Stirn. »Sie glauben, dass jemand sie töten wollte?«
»Bitte sag ›Du‹ zu mir. Ich bin May.« Sie lächelte Katrin an. »Das gilt natürlich auch für deine bezaubernde Frau, Manfred.«
Er wollte sie korrigieren, ihr sagen, dass sie nicht verheiratet waren, aber mit einem Mal erschien es ihm unwichtig. Katrin war seine Frau, auch ohne Trauschein. »May, gut. Du glaubst also, sie wurde absichtlich angefahren?«
»Genau wie mein Vater«, antwortete May leise. »Auch er wurde hier in der Eifel getötet, da bin ich sicher.«
»Er kam her, um nach seiner Tochter zu suchen?«, fragte Manfred.
Sie nickte. »Ja. Er hat so oft von ihr gesprochen, er hat sich so darauf gefreut, sie endlich kennenzulernen.«
»Warum erst so spät?«, wollte Katrin wissen. »Warum erst 1974?«
May seufzte. »Aus Rücksicht auf meine Mutter. Ihr war diese fremde Tochter immer unheimlich. Ich glaube, sie hatte Angst, mein Vater würde in Deutschland bleiben, bei dieser anderen Frau, seiner ersten großen Liebe. Im März 1974 starb meine Mutter. Vater wartete noch einige Monate, doch dann hielt er es nicht mehr aus. Judy, also meine Schwester, und ich, wir brachten ihn zum Flughafen. Er war aufgeregt wie ein kleiner Junge, hatte seinen besten Anzug eingepackt, um nur ja einen guten Eindruck zu machen.« May sah wieder zu Rosemary, die reglos im Bett lag. »Leider ist Judy schwer krank, sie hat Multiple Sklerose, ist an den Rollstuhl gefesselt. Deshalb ist sie daheimgeblieben.«
»Woher wusste dein Vater, wo er seine Tochter finden konnte?«, fragte Manfred. »Hatte er Kontakt zu Angelika?«
»Nein, ich glaube nicht, dass die beiden Kontakt hatten. Nicht mehr nach all den Jahren. Er wusste, dass sie geheiratet hatte, und er wusste, dass sie das Kind zu ihrem Bruder in die Eifel bringen wollte. Er kannte ja ihren Mädchennamen – Grauweiler. So hat er die Adresse in Kestenbach herausgefunden.«
»Warum ist Rosemary gerade jetzt nach Deutschland gekommen?«, fragte Manfred.
May seufzte. »Sie hat sich einer Organisation angeschlossen, einer Organisation von Schwarzen mit deutschen Wurzeln, die sich gegenseitig dabei unterstützen, Verwandte in Deutschland ausfindig zu machen. Brown Babys und deren Nachkommen. Habt ihr den Begriff schon einmal gehört?«
Manfred nickte.
»Jemand aus der Organisation, der in Deutschland lebt, hat die Todesanzeige von Marius Grauweiler gesehen und Rose benachrichtigt. Da hat sie spontan beschlossen, hinzufliegen. Sie hatte die verrückte Hoffnung, meine Schwester, also ihre Tante, könne zu Marius’ Beerdigung erscheinen.« Sie hob hilflos die Schultern. »Leider war sie nicht dort.«
Manfred warf Katrin einen raschen Blick zu, sie nickte stumm. Er setzte sich zu May auf die Bettkante und nahm ihre Hände. »Sie konnte nicht kommen, May. Sie ist seit vielen
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