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Schwanentanz

Schwanentanz

Titel: Schwanentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Francis
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ihnen dafür kein Vorwurf zu machen war. Er zeigte sich zu selten, um kein Misstrauen zu erregen, und zu oft, um als Tourist durchzugehen. Er war der, der auftauchte und verschwand. Nichts Ungewöhnliches, wenn man das Leben in den Hügeln kannte, wo ständig jemand auftauchte und verschwand und niemand Fragen stellte. Absonderlich für die Menschen, die im Licht lebten. Er sah durch die Schaufensterscheibe. Hinter den schwachen Spiegelungen von Suzannas Auto erkannte er sie neben der rothaarigen Bäckerin stehen, diese reichte ihr soeben ein Telefon. Suzanna telefonierte, lächelte dieBäckerin dann an. Ganz glücklich sah diese nicht aus, aber den Grund konnte er sich denken. Inzwischen machte die Meldung, dass in der Nacht ein Haus abgebrannt war, sicher schon die Runde. Vielleicht hatte die Feuerwehr die menschlichen Überreste längst gefunden und möglicherweise wurden auch der alte Alec und seine Männer schon vermisst. Brandon schauderte beim Gedanken an ihn. Möge seine Seele in den Höllenfeuern ewig schmoren.
    Suzanna kam wieder heraus. Statt sich ans Steuer zu setzen, öffnete sie die Beifahrertür.
    „Komm, steig aus, es ist nicht weit. Wir gehen zu Fuß.“
    Er tat, wie sie verlangte, obgleich er sich wunderte. „Wohin gehen wir?“
    „Du wirst sehen. Du wirst es mögen, glaube ich.“
    Sie hakte sich bei ihm unter und führte ihn die Straße entlang. Das Dorf lag still und nahezu bewegungslos da. Nur die Hitze flirrte über der Straße, vor manchen Häusern dösten Katzen in der Sonne und blinzelten, wenn sie vorbeigingen. Brandon sah von Weitem, dass die Eingangstür des alten Kinos offenstand. Aber Suzanna würde kaum mit ihm ins Kino gehen. Es war solange er denken konnte geschlossen und verrottete vermutlich von innen heraus wie ein Apfel, dem das Gehäuse verfault. Andererseits hielt sie genau darauf zu. Über ihre Wangen flog ein Hauch von vorfreudiger Röte, als sie ihm einen schnellen Blick aus dem Augenwinkel zuwarf. Und da entdeckte er es. Das Filmplakat. Es war neu, ein glänzendes Poster von ‚Der Herr der Ringe – Die Gefährten’. Er hätte es in jedem Fall bemerkt, wenn es zuvor dagewesen wäre. Er liebte es, Filme anzusehen, kam aber nur in Ausnahmefällen dazu, weil er die Gegend um Carryglen, eine kinofreie Gegend, selten verlassen durfte.
    Suzanna sah ihn erwartungsvoll an. „Lust auf Kino?“, fragte sie betont lässig. „Ich hoffe, du kennst ihn noch nicht.“
    Er kannte ihn schon, es war einer der wenigen Filme, die er bei Reisen gesehen hatte. Er hatte damals ein Pferd gekauft, den topaktuellen Film im Kino angesehen, während der magere Gaul den halben Anhänger zu Klein-holz trat, und Cara aus Rache hinterher erzählt, das Tier trüge den Namen Gollum. So hieß der verschlagene Zosse bis heute – völlig zu Recht.
    „Du kennst ihn“, bemerkte Suzanna enttäuscht.
    Stand ihm das im Gesicht? „Ich liebe ihn“, entgegnete er rasch. „Einer der besten Filme, die ich je gesehen habe. Läuft der hier tatsächlich? Wie hast du das hinbekommen?“
    „Beziehungen“, antwortete sie mit einem Lächeln. „Lass uns reingehen.“
    Eine bleiche Staubschicht verlieh dem Kinofoyer eine gespenstische Atmosphäre. Spinnenweben wogten sanft an den Wänden wie sonst in Geisterhäusern in alten Schauerfilmen. In einer Ecke stand ein lebensgroßer Pappaufsteller von Rocky, dem der halbe Kopf fehlte. Ein giftgrüner Schal, den irgendwer irgendwann einmal verloren haben musste, hing über seiner Schulter und würde dort noch ewig auf den einstigen Besitzer warten. Innerhalb dieser Wände war die Zeit stehengeblieben; seit einem Vierteljahrhundert hatte sich hier nichts verändert. Der Staub und die vielen Jahre machten Brandon das Atmen schwerer. Auch Suzanna schien sich befangen zu fühlen. „Lass uns reingehen“, flüsterte sie. Ihr Gesicht spiegelte sich geisterhaft in der Glasscheibe einer alten Popcornmaschine.
    Im Kinosaal hatte das einundzwanzigste Jahrhundert sie wieder. Die Sitze waren speckig und abgewetzt und die Klappvorrichtungen der meisten hatten der Schwerkraft nachgegeben. Aber sah man vom Boden ab, der von fünfundzwanzig Jahre alten Colaresten noch immer klebte und auch in weiteren fünfundzwanzig Jahren noch kleben würde, war der Raum sauber. Sie folgten den Spuren im Teppich die flachen Stufen hoch bis in die hinterste Reihe und setzten sich in die durchhängenden Sessel. Im nächsten Moment wurde das Licht gedimmt, Musik erklang und Suzanna atmete tief ein, als

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