Schwartz, S: Blutseelen 1: Amalia
quer durch die Zeit. Eine Art Katalysator, der den Prozess des Erinnerns beschleunigt.“
Seine Erklärungen schienen auf irrsinnige Weise einen Sinn zu ergeben, aber das hieß noch nicht, dass sie sich bereitwillig von ihm mitnehmen ließ. Sie wollte selbst über ihr Leben bestimmen und entscheiden, was gut für sie war und was nicht.
„Lass mich los, Aurelius.“
„Erst, wenn du mir versprichst, mit mir nach Frankfurt zu kommen. In unserem Klanhaus bist du sicher.“
„Sicher? Was heißt sicher? Sicher unter einem Haufen Blut trinkender Vampire, wie du einer bist?“
„Sicherer als an jedem anderen Ort dieser Erde“, erklärte Aurelius ruhig. „Du bist der Schlüssel in die Vergangenheit. Du weißt, wo Lai‘raas letzte Ruhestätte ist. Nur ihre menschlichen Nachkommen wussten das, jene, die nicht mutiert sind. Und du trägst die Erinnerung in dir, auch wenn es dir noch nicht bewusst ist. Deshalb wirst du gejagt. Du bist der Schlüssel zum Heiligen Gral der Vampire.“
„Ich verzichte auf diese Erinnerung.“
„Aber N’ree verzichtet nicht darauf. Sie war es, die Lai‘raa damals tötete, und glaubte, sie endgültig vernichtet zu haben. Die blonde Barbarin aus dem Norden. Aber Lai‘raa starb nicht. Jemand hat ihren erstarrten Körper verborgen. Sie ruht noch immer, schlafend, vermutlich wahnsinnig. Und wenn sie erweckt wird, wird sie ein Instrument sein. Ein Instrument der Vernichtung, denn es heißt, in ihren Adern fließt reines Blut und ihre mentalen Kräfte sind größer als alles, was ihre Nachfahren je zustande gebracht haben. Wer Lai‘raas Blut trinkt und Lai‘raa kontrolliert, hat genug Macht, alle anderen Vampirclans zu unterwerfen. N’ree, die sich seit Jahrhunderten Rene nennt, wird sich das zunutze machen. Sie wird sich aufschwingen zu einer grausamen und blutigen Herrschaft, denn für sie gilt nur das Recht des Stärkeren.“
Amalia spürte Angst und Trotz in sich. Wenn sie nachgab, hatte sie verloren. Aurelius würde sie nach Frankfurt bringen und sie würde nie wieder so leben können wie bisher.
„Wenn mich diese Vampirmärchen nun aber nicht interessieren? Ich will nach Hause. Zurück in mein Leben.“
Aurelius ließ sie los. „Dein Leben gibt es nicht mehr. Dein Zuhause ist bei uns.“
Amalia wich zurück und rannte erneut los. Dieses Mal holte er sie noch schneller ein. Er presste sie an sich. Sie standen eng umschlungen wie ein Liebespaar mitten im Park des Schlosses. Amalia fühlte neue Tränen.
„Ich will das alles nicht!“ Sie grub ihre Nägel in sein Fleisch, wünschte sich, er würde nur einen Bruchteil der Schmerzen fühlen, die in ihr wüteten. „Ich will nicht wichtig für so gefährliche Wesen sein.“ Sie zitterte. Sollte sie nicht froh sein, dass er da war? Ohne ihn hätte Kamira sie bereits getötet. Vielleicht war es tatsächlich das Beste, mit ihm zu gehen. Zumindest vorerst. Er konnte ihr mehr über sie selbst erklären. Mehr über ihre Träume und die Vergangenheit. Sie fühlte instinktiv, dass sie nur eine Zukunft hatte, wenn sie sich dem Vergangenen stellte.
„Ich habe keine Wahl, oder?“
„Du hast keine Wahl.“
Aus den Schatten kamen zwei Gestalten auf sie zu. Amalia fürchtete zuerst, es seien weitere Werwölfe, doch es waren Darion und Grace. Beide sahen mitgenommen aus. Anscheinend waren sie in Kämpfe verstrickt gewesen.
„Hekae ist tot“, erklärte Gracia statt einer Begrüßung. „Wir müssen verschwinden, die Polizei ist schon unterwegs.“
Amalia sah die beiden plötzlich mit ganz anderen Augen. Erinnerungen aus Träumen stiegen in ihr hoch. An den menschenfeindlichen, grausamen Darion. Und an Grace. Die wahnsinnige Gracia, die es liebte, andere zu erniedrigen.
Grace sah sie an, als habe sie sie eben erst wahrgenommen. Sie warf Aurelius einen schnellen Blick zu. „Soll ich ihre Erinnerung löschen?“
Amalia kam Grace zuvor. Die Wut ihrer Erkenntnisse gab ihr Kraft. „Das ist nicht nötig, Lady Gracia. Das kleine Täubchen hat sich bereits erinnert und es weiß, wer du bist.“
Die drei Vampire starrten sie an. Darion wirkte amüsiert, Aurelius‘ Blick war warnend und Grace‘ Miene wurde zu einer ausdruckslosen Maske.
„Sei nicht frech, Amalia. Wenn du beginnst, dich zu erinnern, weißt du, wozu ich imstande bin.“
Amalia schluckte, aber sie hielt Grace‘ Blick stand. „Du brauchst mich. Also lass mich in Ruhe.“
Grace sah einen Augenblick eher nachdenklich als wütend aus. „Du bist in der Tat sehr stark. Ich
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