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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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    Nachbarschaft von der Simon Fords, es war das Haus James
    Starrs’. Der Ingenieur hatte sich New Aberfoyle mit Leib
    und Seele ergeben. Auch er wollte sie bewohnen, und seine
    Geschäfte mußten schon sehr dringender Natur sein, wenn
    er sich entschließen sollte, einmal an die Oberwelt zu gehen.
    Er lebte hier ganz in der Mitte seiner Welt von Bergleuten.
    Nach Auffindung der neuen Kohlenlager beeilten sich
    alle früheren Werkleute der Grube, Pflug und Egge zu
    verlassen und wieder nach Haue und Schlegel zu greifen.
    Durch die Gewißheit, daß es ihnen hier niemals an Ar-
    beit fehlen würde, ebenso angezogen, wie durch den hohen
    Lohn, den man bei dem gewinnreichen Betrieb der Hand-
    arbeit bewilligte, hatten sie gern die Oberwelt gegen die
    Unterwelt vertauscht und wohnten gleichzeitig ganz in dem
    Bergwerk, das ihnen durch seine natürliche Gestaltung eine
    Unterkunft anbot.
    Die aus Backsteinen errichteten Häuschen der Bergleute
    lagen ringsum malerisch verstreut, die einen an den Ufern
    des Malcolm-Sees, die anderen unter den Bogengängen an
    den Wänden, die wie geschaffen schienen, um die Last der
    darüber lagernden Erdschichten sicher zu tragen. Hauer,
    die mit Axt und Spitzhaue arbeiten; Karrenläufer, welche
    die Kohle wegschaffen, Aufseher, Zimmerer, die das Holz-
    bauwerk der Stollen und Schächte besorgen, Wegearbeiter
    zur Instandhaltung der nötigen Fußstege, Wiederausfüller,
    welche die abgebauten Gänge wieder mit totem Gestein
    verschütten, überhaupt all die speziell mit den Arbeiten in
    der Tiefe beschäftigten Werkleute verlegten ihre Wohnstät-
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    ten nach New Aberfoyle und gründeten so allmählich Coal
    City, unter der Ostspitze des Katrine-Sees im Norden der
    Grafschaft Stirling.
    Es war also eine Art flämisches Dorf, das sich nah den
    Ufern des Malcolm-Sees erhob. Eine dem heiligen Gilles
    geweihte Kapelle krönte das ganze. Sie leuchtete freund-
    lich von einem hohen Felsen herab, dessen Fuß sich in dem
    Wasser dieses unterirdischen Meeres badete.
    Wenn diese ganze Ortschaft von den blendenden Strah-
    len des elektrischen Lichts erhellt wurde, das hier von mäch-
    tigen Säulen herab, dort aus den ehrwürdigen Bögen der
    Nebenschiffe heraus erglänzte, gewährte sie einen phantas-
    tischen, höchst fremdartigen Anblick, der die Empfehlung
    in den Reisehandbüchern von Joanne und Murray gewiß
    rechtfertigte. Der Touristenbesuch war deshalb auch immer
    stark.
    Daß die Bewohner von Coal City auf ihre Niederlassung
    nicht wenig stolz waren, versteht sich wohl von selbst. Nur
    sehr selten verließen sie auch ihre Arbeiterstadt, indem sie
    sich hierin Simon Ford zum Muster nahmen, der so gut wie
    niemals zur Oberwelt hinauffuhr. Der alte Obersteiger blieb
    bei der Behauptung, daß es ›da oben‹ immer regne, und be-
    zieht man diese Äußerung auf das Klima des Vereinigten
    Königreichs, so hatte er vielleicht nicht gar so unrecht. Die
    einzelnen Familien in New Aberfoyle gediehen vortrefflich.
    Im Verlauf von 3 Jahren hatten sie sich zu einem gewissen
    Wohlstand emporgeschwungen, den sie auf der Oberfläche
    der Grafschaft kaum je erreicht hätten. Eine hübsche Zahl
    — 165 —
    kleiner Kinder, die seit der Wiederaufnahme der Arbeiten
    geboren wurden, hatten noch nie die Luft der Außenwelt
    geatmet.
    Jack Ryan pflegte deshalb scherzend zu sagen: »Da sind
    sie nun schon 18 Monate der Mutterbrust entwöhnt und ha-
    ben noch nicht einmal das Licht der Welt erblickt.«
    Übrigens gehörte Jack Ryan seinerzeit zu den ersten, die
    auf den Ruf des Ingenieurs herbeieilten. Der muntere Bur-
    sche hielt es für seine Pflicht, sich wieder dem früheren Be-
    ruf zu widmen. Die Meierei von Melrose verlor mit ihm also
    ihren Sänger und Dudelsackpfeifer. Damit soll aber nicht
    etwa gesagt sein, daß Jack Ryan selbst nicht mehr gesungen
    hätte. Im Gegenteil: er ließ der steinernen Lunge des Echos
    in New Aberfoyle kaum je 1 Stunde Ruhe.
    Jack Ryan wohnte in dem neuen Cottage Simon Fords.
    Man hatte ihm darin ein Zimmerchen angeboten, und er
    nahm es, als ein einfacher offenherziger Mann, ohne Um-
    stände an. Die alte Madge schätzte ihn wegen seines guten
    Charakters und seiner frohen Laune. Sie teilte ja im Innern
    auch seine Gedanken hinsichtlich der phantastischen We-
    sen, die in der Kohlengrube hausen sollten, und wenn beide
    einmal allein waren, erzählten sie einander gern schauer-
    liche Geschichten, wertvolle Bereicherungen der hyperbo-
    reischen Mythologie.
    Jack

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