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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wußte.
    Wir müssen gestehen, daß Jack Ryan, seitdem Nell ihm
    in ihrer natürlichen Menschengestalt erschien, seinen Glau-
    ben an die Berggeister etwas verblassen sah. 2 Monate spä-
    ter sollte seine Gläubigkeit noch einen weiteren Schlag er-
    halten.
    Harry machte da nämlich eine ganz unerwartete Entde-
    ckung, die zum Teil die Erscheinung der Feuerhexen in den
    Ruinen von Dundonald Castle bei Irvine erklärte.
    Nach einer weit fortgesetzten Untersuchung des süd-
    lichen Teils der Kohlengrube – eine Untersuchung der äu-
    ßersten Ausläufer dieses unterirdischen Labyrinths, die
    mehrere Tage in Anspruch nahm – hatte Harry einen schräg
    aufwärts führenden engen Gang erklommen, der sich durch
    den Schieferfelsen hinzog. Wie erstaunte er da, sich plötz-
    lich an der freien Luft zu befinden. Die Galerie endete drau-
    ßen genau bei den Ruinen von Dundonald Castle. Es be-
    stand also eine bisher unbekannte Verbindung zwischen
    New Aberfoyle und jenem von dem Schloß gekrönten Hü-
    gel. Die obere Mündung dieses Tunnels war fast gar nicht zu
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    entdecken, so dicht war sie von Steinblöcken und Gesträuch
    verhüllt. So gelang es auch damals den Beamten trotz ihrer
    Untersuchung nicht, diesen Eingang zu finden.
    Einige Tage später nahm auch James Starr, den Harry
    hierher geführt hatte, die natürliche Anordnung der Ge-
    steinsschichten und des Kohlenflözes näher in Augen-
    schein.
    »Nun«, sagte er, »da besitzen wir ja das Mittel, die Aber-
    gläubischen eines Besseren zu belehren. Jetzt fahrt wohl, ihr
    Gespenster, Kobolde und Feuerhexen!«
    »Ich glaube kaum«, wendete Harry ein, »daß wir Ursa-
    che haben, uns deshalb zu beglückwünschen! Ihre Stellver-
    treter taugen wahrlich nicht mehr und könnten sogar noch
    schlechter sein.«
    »Du magst recht haben, Harry«, erwiderte der Ingeni-
    eur, »doch was sollen wir dagegen tun? Offenbar benutzen
    die Bösewichte, die in der Grube ihr Wesen treiben, die-
    sen Tunnel als Verbindungsgang zur Oberwelt. Sie sind es
    ohne Zweifel, die während jener stürmischen Nacht mit
    Fackeln in den Händen die ›Motala‹ anzulocken wußten,
    deren Wracktrümmer sie sich, ganz wie die ehemaligen
    Strandräuber, zugeeignet hätten, wenn Jack Ryan und seine
    Gefährten sie nicht daran gehindert hätten. Doch jedenfalls
    erklärt sich hiermit alles. Hier ist der Eingang zur Räuber-
    höhle, und die Frage ist nur, ob die früheren Insassen sie
    auch heute noch bewohnen.«
    »Gewiß, denn Nell erzittert immer, wenn man davon et-
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    was erwähnt«, erwiderte Harry zuversichtlich. »Gewiß, da
    Nell hierüber niemals zu sprechen wagt!«
    Harry konnte wohl recht haben. Wenn die rätselhaften
    Bewohner der Grube diese verlassen hatten oder vielleicht
    gar tot waren, welchen Grund hätte das junge Mädchen
    dann gehabt, auf ihrem Schweigen zu beharren?
    James Starr hielt es jedoch für unumgänglich notwendig,
    dieses Geheimnis zu lüften. Er ahnte, daß die ganze Zukunft
    des großen Werks davon abhängen konnte. Man sorgte also
    aufs neue für die strengsten Vorsichtsmaßnahmen. Die Be-
    hörden wurden benachrichtigt. Einige Beamte besetzten
    insgeheim die Ruinen von Dundonald Castle. Harry selbst
    verbarg sich während mehrerer Nächte in dem Gebüsch,
    das den Hügel bedeckte. Vergebliche Mühe! Man entdeckte
    nichts. Kein menschliches Wesen trat durch die Tunnel-
    mündung heraus.
    Endlich brach sich die Überzeugung mehr und mehr
    Bahn, daß die Übeltäter New Aberfoyle definitiv verlassen
    hätten und die zurückgelassene Nell als in der Tiefe jenes
    engen Schachts umgekommen betrachteten. Vor Beginn des
    Abbaus konnte die Kohlengrube ihnen ein sicheres Versteck
    bieten, da ihnen keine Nachforschung drohte. Jetzt hatten
    sich die Verhältnisse vollkommen verändert. Ihr Lagerplatz
    wäre nur noch schwierig zu verheimlichen gewesen. Man
    hätte also vernünftigerweise annehmen sollen, daß für die
    Zukunft nichts mehr zu befürchten war. Dennoch konnte
    James Starr sich nicht vollkommen beruhigen. Auch Harry
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    teilte diese Ansicht und sprach sich wiederholt darüber
    aus.»Nell steht offenbar mit diesem Geheimnis in Verbin-
    dung«, sagte er. »Wenn sie nichts mehr zu befürchten hätte,
    warum sollte sie noch länger schweigen? Ohne Zweifel
    fühlt sie sich bei uns glücklich und liebt uns alle. Sie verehrt
    meine Mutter. Wenn sie über ihre Vergangenheit schweigt,
    über das, was uns wegen der Zukunft beruhigen könnte,
    dann

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