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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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hatte, wurde
    von ihm nach allen Seiten befragt. Ihr schienen die meis-
    ten Dinge des Lebens völlig unbekannt. Dennoch erregte
    sie den Eindruck einer mehr als gewöhnlichen Intelligenz,
    nur daß ihr einzelne Begriffe, unter anderen der der Zeit,
    völlig abgingen. Man merkte, daß sie nicht gewöhnt war,
    die Zeit in Stunden oder Tage zu teilen, und daß sie selbst
    diese Worte nicht einmal kannte. Ihre an eine ununterbro-
    chene Nacht gewöhnten Augen vertrugen nur schwierig den
    Glanz der elektrischen Sonnen; in der Finsternis aber er-
    reichte ihr Blick eine überraschende Schärfe, und die weit-
    geöffneten Pupillen gestatteten ihr, selbst bei tiefer Dunkel-
    heit noch zu sehen. Eindrücke von der Außenwelt schien
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    ihr Gehirn noch nicht erhalten zu haben; sie umgab nie ein
    anderer Horizont, als die dunkle Kohlengrube; was sie von
    der Menschheit kannte, beschränkte sich gewiß auf eines
    oder wenige in dieser Aushöhlung der Erde lebende Wesen.
    Wußte dies arme Kind überhaupt, daß es eine Sonne und
    Sterne, Städte und Länder, daß es ein Weltall gab, durch das
    ungezählte Weltkörper kreisten? Daran mußte man zwei-
    feln bis zu der Stunde, in der gewisse ihr noch unbekannte
    Worte in ihrem Geist eine klare Bedeutung gewannen.
    Auf die Lösung der Frage, ob Nell in den Tiefen von New
    Aberfoyle allein gelebt hatte, mußte der Ingenieur verzich-
    ten. Jede Anspielung darauf erfüllte dieses eigentümliche
    Wesen mit schauderndem Entsetzen. Entweder wollte oder
    konnte Nell darauf nicht antworten; jedenfalls aber war hier
    noch ein Geheimnis zu entschleiern.
    »Willst du hier bei uns bleiben oder dahin zurückkehren,
    wo du früher warst?« hatte sie der Ingenieur gefragt.
    Auf den ersten Teil der Frage rief sie schnell und freudig:
    »Ach ja!« und den zweiten Teil beantwortete sie nur durch
    einen ängstlichen Schrei.
    Gegenüber diesem hartnäckigen Stillschweigen beschli-
    chen James Starr, Simon Ford und Harry aufs neue ihre frü-
    heren Ahnungen. Sie konnten die unerklärlichen Zufälle bei
    Gelegenheit der Entdeckung der neuen Kohlengrube nicht
    vergessen. Obwohl schon 3 Jahre ohne jedes daraus herzu-
    leitende Ereignis verstrichen waren, versahen sie sich doch
    jeden Tag eines wiederholten Angriffs seitens ihres unsicht-
    baren Feinds. Sie nahmen sich vor, jenen geheimnisvollen
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    Schacht näher zu untersuchen, und führten es auch wohl-
    bewaffnet und in größerer Anzahl aus. Dabei fand sich je-
    doch keine verdächtige Spur. Der Schacht kommunizierte
    mit den unteren Etagen des Höhlensystems, das die mäch-
    tige Kohlenablagerung durchsetzte.
    Wiederholt besprachen James Starr, Simon und Harry
    dieses Rätsel. Wenn ein oder mehrere Übeltäter sich in
    der Grube versteckt hielten und irgendeinen hinterlistigen
    Streich vorbereiteten, hätte Nell vielleicht darüber Auskunft
    geben können, aber sie schwieg nach wie vor. Die geringste
    Erwähnung ihrer Vergangenheit rief jedesmal so heftige
    Anfälle hervor, daß man es für ratsam hielt, das ganz zu un-
    terlassen. Mit der Zeit würde sie ihr Geheimnis vielleicht
    wider Willen verraten.
    14 Tage nach ihrer Ankunft im Cottage machte sich Nell
    schon als die intelligenteste und eifrigste Helferin der alten
    Madge nützlich. Ihr erschien es ganz natürlich, dieses Haus,
    in dem sie eine so entgegenkommende Aufnahme gefunden
    hatte, niemals zu verlassen, und vielleicht glaubte sie, au-
    ßerhalb überhaupt gar nicht leben zu können. Ihr genügte
    die Familie Ford vollkommen, so wie es sich von selbst ver-
    stand, daß sie von ihr, seit ihrem ersten Betreten des Cot-
    tage, als Adoptivkind angesehen wurde.
    Nell war in der Tat reizend. Das neue Leben machte sie
    nur noch schöner. Jetzt blühten ihr wohl die ersten glück-
    lichen Tage ihres Lebens, die sie genoß voll aufrichtiger
    Erkenntlichkeit gegen diejenigen, denen sie sie schuldete.
    Madge empfand für Nell eine wahrhaft mütterliche Teil-
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    nahme. Der alte Obersteiger war bald ganz vernarrt in sie.
    Alle liebten das Mädchen. Jack Ryan bedauerte lediglich,
    daß er selbst sie nicht gerettet hatte. Er hielt sich häufig im
    Cottage auf. Er sang wohl auch, und Nell, die noch niemals
    singen gehört hatte, fand das sehr schön; leicht hätte jeder
    aber sehen müssen, daß sie vor den Liedern Jack Ryans of-
    fenbar den ernsteren Unterhaltungen Harrys den Vorzug
    gab, durch die sie nach und nach lernte, was sie von der Au-
    ßenwelt noch nicht

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