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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Kohlengrube schon lange Zeit sehr genau.«
    »Hast du sie niemals verlassen?«
    »Doch ... einige Male ...« antwortete das junge Mädchen
    zögernd, »ich kam wohl auch bis zu dem alten Bergwerk
    von Aberfoyle.«
    »Du kanntest demnach auch das alte Cottage?«
    »Das Cottage ... ja ... aber dessen Bewohner so gut wie
    gar nicht.«
    »Dessen Bewohner«, erklärte ihr Harry, »waren mein Va-
    ter, meine Mutter und ich. Wir haben unsere alte, liebgewor-
    dene Wohnung nicht verlassen wollen.«
    »Vielleicht wäre es für euch doch besser gewesen!« mur-
    melte das junge Mädchen.
    »Und weshalb, Nell? Danken wir die Auffindung der
    neuen Kohlenschätze nicht unserem treuen Ausharren?
    Und war diese Entdeckung nicht von den wohltätigsten Fol-
    gen für eine ganze Bevölkerung, deren Wohlstand die Ar-
    beit neu begründete; auch für dich, Nell, die, dem Leben zu-
    rückgegeben, Herzen fand, die dir ganz und gar gehören?«
    »Für mich!« antwortete Nell lebhaft ... »Ja, was auch
    kommen könne! Für die anderen? ... wer weiß?«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Nichts ... nichts! ... Aber das erste Eindringen in die
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    neuerschlossene Grube hatte seine Gefahren; ja, seine gro-
    ßen Gefahren. Einmal, Harry, waren einige Unvorsichtige in
    diese unbekannten Gänge geraten; sie wagten sich weit, weit
    hinein, zuletzt haben sie sich verirrt ...«
    »Verirrt?« unterbrach sie Harry und sah sie beobachtend
    an.»Ja ... verirrt ...« wiederholte Nell mit zitternder Stimme.
    »Ihre Lampe verlosch, sie konnten den Rückweg nicht fin-
    den.«
    »Und blieben dort 8 Tage eingeschlossen«, setzte Harry
    ihre Rede fort. »Sie wären bald dabei umgekommen, hätte
    ihnen Gott nicht ein hilfreiches Wesen, vielleicht einen En-
    gel, gesendet, der sie geheimnisvoll mit etwas Nahrung ver-
    sorgte, und nicht einen wunderbaren Führer, der ihnen spä-
    ter ihre Befreier zuführte. Ohne dem hätten sie nie wieder
    jenes ungeheure Grab verlassen.«
    »Woher weißt du das alles?« fragte das junge Mädchen.
    »Jene Gefangenen, Nell, waren James Starr, meine Eltern
    und ich.«
    Nell erhob den Kopf, ergriff die Hand des jungen Man-
    nes und sah ihm so tief in die Augen, daß dieser sich bis ins
    Herz erzittern fühlte.
    »Du?« wiederholte das junge Mädchen.
    »Ja«, bestätigte Harry nach kurzem Schweigen, »und die,
    der wir es verdanken, noch heute zu leben, das warst du,
    Nell, das kann niemand sonst gewesen sein, als du!«
    Nell ließ den Kopf in ihre Hände sinken und gab keine
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    Antwort. Noch niemals hatte Harry sie so tief ergriffen ge-
    sehen.
    »Die, welche dich gerettet haben, Nell«, fügte er bewegt
    hinzu, »schuldeten vorher schon dir ihr Leben, und glaub
    mir, sie können und werden das niemals vergessen!«
    16. KAPITEL
    Auf der auf- und absteigenden Leiter
    Inzwischen wurde die Ausbeutung von New Aberfoyle mit
    bestem Erfolg fortgesetzt. Selbstverständlich kam James
    Starr und Simon Ford – den ersten Entdeckern dieser rei-
    chen Kohlenlager – ein großer Anteil des Gewinns zu.
    Harry wurde demnach jetzt selbst eine gute Partie. Aber er
    dachte gar nicht daran, das Cottage zu verlassen. Er hatte
    jetzt die Stelle seines Vaters als Obersteiger übernommen
    und wachte sorgsam über diese Welt von Bergleuten.
    Jack Ryan war ebenso stolz wie hocherfreut über all das
    Glück, das seinem Freund zuteil wurde. Auch ihm selbst
    ging es dabei recht gut. Beide sahen sich sehr häufig, ent-
    weder im Cottage oder bei den Arbeiten in der Grube. Jack
    Ryan hatte sehr wohl die Gefühle bemerkt, die Harry für das
    junge Mädchen hegte. Zwar gestand der es nicht ein, aber
    Jack lächelte verschmitzt, wenn Harry seine Anspielung
    durch ein verneinendes Kopfschütteln abweisen wollte.
    Jack Ryans innigster Wunsch war es, Nell zu begleiten,
    wenn sie ihren ersten Besuch an der Oberfläche der Graf-
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    schaft machen würde. Er hätte so gern das Erstaunen und
    die Bewunderung über die ihr noch völlig unbekannte Na-
    tur mit angesehen. Wohl hoffte er, daß Harry ihn bei diesem
    Besuch mitnehmen würde, doch hatte der ihm noch keinen
    dahinzielenden Vorschlag gemacht – was ihn immerhin ein
    wenig beunruhigte.
    Eines Tages stieg Jack Ryan eben einen der Luftschächte
    hinunter, durch welche die unteren Stollen der Grube mit
    der Erdoberfläche in Verbindung stehen. Er benutzte dabei
    eine jener Leitern, die durch ihre aufeinanderfolgenden Be-
    wegungen nach auf- und abwärts ohne Mühe hinauf-

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