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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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oder
    hinunterzugelangen gestatten. 20 Bewegungen dieses Appa-
    rats hatten ihn etwa um 150 Fuß hinunterbefördert, als ihm
    auf der schmalen Leiter, auf der er eben Platz genommen
    hatte, Harry begegnete, der wegen einiger Tagarbeiten nach
    oben steigen wollte.
    »Bist du’s?« fragte Jack, indem er den anderen scharf an-
    sah.»Ja, Jack«, erwiderte Harry, »und es freut mich sehr,
    dich noch zu treffen. Ich möchte dir einen Vorschlag ma-
    chen ...«
    »Ich höre auf nichts, bevor du mir nicht eine Nachricht
    über Nell gibst!« rief Jack Ryan.
    »Nell geht es gut, Jack, und sogar so gut, daß ich sie bin-
    nen 1 Monat oder 6 Wochen ...«
    »Zu heiraten gedenke, Harry?«
    »Du weißt nicht, was du sprichst, Jack.«
    — 206 —
    »Das ist möglich, Harry, aber ich weiß, was ich tun
    würde.«
    »Und was?«
    »Ich würde sie heiraten, ja ich, wenn du es nicht tust«,
    versetzte Jack hell auflachend. »Beim heiligen Mungo! Sie
    gefällt mir nun einmal, die niedliche Nell. Ein junges und
    herzensgutes Geschöpf, das die Mine noch niemals verlas-
    sen hat, das ist eine Frau, wie sie ein Bergmann braucht. Sie
    ist eine Waise und ich auch, und für den Fall, daß du wirk-
    lich nicht an sie denkst, möchte ich nur, daß sie deinen Ka-
    meraden auch wollte.«
    Harry sah Jack ernsthaft an. Er ließ ihn plaudern, ohne
    überhaupt eine Antwort zu geben.
    »Was ich da sagte, macht dich doch nicht eifersüchtig,
    Harry?« fragte Jack ernster.
    »Nein, lieber Jack«, erwiderte Harry ruhig.
    »Nun, wenn du Nell nicht zu deiner Frau machst, hast du
    jedenfalls kein Recht, zu verlangen, daß sie eine alte Jungfer
    bleiben soll.«
    »Ich beanspruche gar keine Rechte«, antwortete Harry.
    Eine Bewegung der Leiter hätte den beiden Freunden
    jetzt erlaubt, sich zu trennen, indem der eine den Schacht
    hinauf-, der andere hinuntergegangen wäre. Sie blieben aber
    noch beisammen.
    »Harry«, fuhr Jack fort, »glaubst du, daß ich jetzt zu dir
    bezüglich Nells ganz im Ernst gesprochen habe?«
    »Nein, Jack, das glaube ich kaum.«
    »Nun, dann werde ich es jetzt tun.«
    — 207 —
    »Du, im Ernst sprechen?«
    »Mein lieber Harry«, begann Jack, »ich wäre imstande,
    einem Freund einen guten Rat zu erteilen.«
    »Dann tu es, Jack.«
    »Nun, so höre! Du liebst Nell so innig, wie sie es verdient,
    Harry! Dein Vater, der alte Simon, und die alte Madge, deine
    Mutter, lieben sie ebenfalls, als wär’ es ihr eigenes Kind. Es
    würde dich nicht viel kosten, sie ganz zu eurer Tochter zu
    machen. – Warum heiratest du sie nicht?«
    »Kennst du denn, um so zuversichtlich zu sprechen, auch
    Nells eigene Meinung darüber?«
    »Darüber ist sich jedermann klar, auch du, Harry, und
    eben deshalb bist du auch weder auf mich, noch auf ir-
    gendeinen anderen eifersüchtig. – Doch genug, die Leiter
    wird sich sogleich nach unten bewegen und ...«
    »Warte noch, Jack«, bat Harry und hielt seinen Kamera-
    den, der den Fuß schon von der festen Leiter zurückgezo-
    gen hatte, um ihn auf die bewegliche zu setzen, zurück.
    »Recht schön, du willst mich hier wohl vierteilen las-
    sen!«
    »Hör mir gut zu, Jack«, antwortete Harry, »denn was ich
    sage, meine ich ernst.«
    »Ich bin ganz Ohr ... das heißt bis zur nächsten Bewe-
    gung der Leiter, nicht länger.«
    »Jack«, fuhr Harry fort, »ich brauche dir ja nicht zu ver-
    heimlichen, daß ich Nell liebe und sie herzlich gern zu mei-
    ner Frau machen würde ...«
    »Das ist ja schön ...«
    — 208 —
    »Doch wie sie jetzt noch ist, würde ich mir Gewissens-
    bisse machen, von ihr eine für ewig bindende Erklärung zu
    fordern.«
    »Was willst du damit sagen, Harry?«
    »Sieh mal, Jack, Nell hat die Tiefen der Kohlengrube, in
    der sie höchstwahrscheinlich einst geboren wurde, noch
    niemals verlassen. Sie weiß nichts, sie kennt noch nichts
    von der Außenwelt. Ihre Augen, vielleicht auch ihr Herz, hat
    noch sehr vieles zu lernen. Wer weiß, welche Gefühle sie ha-
    ben wird, wenn sie erst andere Eindrücke vom Menschen-
    leben erhalten hat! Jetzt hat sie, sozusagen, noch gar nichts
    Irdisches an sich, und mir scheint, es hieße sie betrügen, be-
    vor sie sich nach eigener Anschauung entschieden hat, ob
    sie den Aufenthalt in der Kohlengrube jedem anderen vor-
    zuziehen willens ist. – Verstehst du mich nun, Jack?«
    »Ja ... so ungefähr ... besonders sehe ich schon, daß du es
    dahin bringen wirst, mich auch die nächste Bewegung der
    Leiter verfehlen zu lassen.«
    »Jack«, antwortete

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