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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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gern
    begleitet; wir wissen aber, daß sie das Cottage nur sehr un-
    gern verließen, und so kamen sie schließlich zu dem Ent-
    schluß, sich von ihrer unterirdischen Wohnung auch nicht
    einen Tag zu entfernen.
    James Starr ging mit als Beobachter, als Philosoph, der
    vom psychologischen Standpunkt sehr gespannt auf die
    Folgen der fremdartigen Eindrücke, die Nell erhalten sollte,
    wartete, während er dabei gleichzeitig hoffte, vielleicht et-
    was von den geheimnisvollen Ereignissen während ihrer
    Kindheit zu erfahren.
    Harry fragte sich, nicht ohne einige Befürchtungen, ob
    aus dem jungen Mädchen, das er liebte, durch die schnelle
    Einführung in die Außenwelt nicht vielleicht ein ganz ande-
    res werden möge.
    Jack Ryan war lustig wie ein Buchfink, der mit den ersten
    Sonnenstrahlen hinausflattert. Er hoffte, seine ansteckende,
    übermütige Freude werde sich auch den anderen mitteilen.
    Das war so seine Art, eine freundliche Aufnahme zu ver-
    gelten.
    Nell erschien nachdenklich und in sich versunken.
    James Starr hatte, gewiß nicht mit Unrecht, darauf be-
    standen, des Abends aufzubrechen, da es für das junge Mäd-
    chen unzweifelhaft besser sein mußte, nur durch unmerk-
    liche Übergänge von der Finsternis zum Licht zum ersten
    Mal den Tag zu schauen. Das erreichte man aber durch den
    Aufbruch am Abend, wobei ihre Augen von Mitternacht bis
    — 217 —
    Mittag sich ganz allmählich an die Helligkeit der Außenwelt
    gewöhnen konnten.
    Als man das Cottage eben verlassen wollte, ergriff Nell
    Harrys Hand und sagte:
    »Harry, ist es denn unbedingt nötig, daß ich unsere Koh-
    lengrube, und wenn auch nur für wenige Tage, verlassen
    soll?«
    »Ja, Nell«, erwiderte der junge Mann, »es muß sein! Um
    deinet- und um meinetwillen.«
    »Und doch, Harry«, fuhr Nell fort, »fühle ich mich seit
    dem Tag meiner Rettung durch dich so glücklich, wie man
    nur jemals sein kann. Du hast mich ja unterrichtet? Ist das
    noch nicht genug? Was soll ich denn da oben?«
    Harry sah sie schweigsam an. Die von Nell ausgespro-
    chenen Gedanken waren fast genau auch die seinigen.
    »Meine Tochter«, begann da James Starr, »ich begreife
    dein Zaudern sehr gut. Und doch ist es besser, daß du mit
    uns gehst. Die, welche du liebst, begleiten dich und werden
    dich auch zurückführen. Willst du dann dein Leben auch
    künftig im Kohlenbergwerk verbringen, wie der alte Simon,
    wie Madge und Harry, so steht dir das ja frei! Ich zweifle
    nicht daran und würde diese Entscheidung sogar gern se-
    hen. Du wirst dann aber wenigstens beurteilen können, was
    du ausschlägst und was du annimmst, um ganz nach freiem
    Willen zu handeln. Komm also!«
    »Komm, liebe Nell«, bat auch Harry.
    »Harry, ich bin bereit, dir zu folgen«, antwortete das
    junge Mädchen.
    — 218 —
    Um 9 Uhr brachte der letzte Zug durch den Tunnel Nell
    und ihre Begleiter an die Oberfläche der Grafschaft. 20 Mi-
    nuten später stiegen sie an dem Bahnhof aus, in dem eine
    speziell für New Aberfoyle hergestellte Zweigbahn der Ei-
    senbahn von Dumbarton nach Stirling mündet.
    Schon herrschte tiefe Dunkelheit. Vom Horizont nach
    dem Zenit bewegten sich in großer Höhe noch einige leichte
    Dünste, die eine erfrischende Brise aus Nordwesten dahin-
    trieb.
    In Dumbarton angekommen, verließen Nell und ihre
    Begleiter sofort den Bahnhof.
    Vor ihnen dehnte sich zwischen großen Bäumen eine
    lange, zum Ufer des Forth führende Straße aus.
    Der erste physische Eindruck, den das junge Mädchen
    empfand, war der der reinen Luft, die ihre Lungen begierig
    einsogen.
    »Atme recht tief, Nell«, sagte James Starr, »saug sie ein,
    diese Luft mit allen belebenden Gerüchen der Landschaft.«
    »Was ist das für Rauch, der da über uns hinzieht?« fragte
    Nell.
    »Das sind Wolken«, erklärte Harry, »halb verdichtete
    Dunstmassen, die der Wind vor sich hertreibt.«
    »Oh«, rief Nell, »wie gern flög’ ich mit ihnen dahin. Aber
    was sind das für leuchtende Punkte, die dort durch die Lü-
    cken in den Wolken schimmern?«
    »Das sind die Sterne, von denen ich dir erzählt habe,
    Nell. Es sind ebensoviele Sonnen, ebensoviele Mittelpunkte
    von Welten, die wahrscheinlich der unsrigen gleichen.«

    — 219 —
    — 220 —
    Jetzt traten die Sternbilder auf dem dunkelblauen Firma-
    ment, das der Nachtwind klarfegte, deutlicher hervor.
    Nell betrachtete die unzähligen Sterne, die über ihrem
    Kopf kreisten.
    »Aber«, sagte sie, »wenn das Sonnen sind, wie kommt es,
    daß meine

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