Schwarz und Weiss (German Edition)
nicht zurückgebracht? Solyce hatte gesagt, dass er Tony mitnehmen würde…
Hör auf, befahl er sich streng. Wie konnte er nur daran denken, mit diesem Kerl mitzugehen nach dem, was Jon über seine Tochter erzählt hatte? Er würde so bald wie möglich von hier verschwinden.
Das schwache Licht des Vollmondes schien durch das Dachfenster. Wo sollte er hingehen? Er war ein Verbrecher, der keine Ahnung von seinem früheren Leben hatte. Weder Freunde noch Verwandte könnten ihm helfen. Er mochte dieses Gefühl der Hilflosigkeit nicht.
Der Vollmond machte ihn schläfrig...
Ein lautes Klopfen an der Tür riss Tony schließlich aus dem Schlaf. Er registrierte, dass die Decke auf dem Boden lag. Das Geräusch, das der Schlüssel in der Tür machte erinnerte ihn an seine Zeit im Gefängnis. Schnell setzte er sich auf und hob die Decke auf, als Susanna auch schon hereinkam.
„Möchtest du etwas essen?“ fragte sie ihn und zum wiederholten Mal war Tony vollkommen überwältigt von ihrer Freundlichkeit.
„Äh, ja, gerne“ antwortete er leicht stotternd.
„Komm dann einfach runter ins Erdgeschoss, die zweite Tür links. Außer uns ist niemand zu Hause, Jon ist bei der Arbeit, aber er kommt bald wieder, er hatte Nachtschicht…“
Und schon war Tony wieder allein.
Bei Tageslicht sah das Zimmer noch viel schlimmer aus als nachts. Vermutlich hatte Susanna es seit dem Verschwinden ihrer Tochter nicht mehr betreten.
Nachdem Tony wiederum das Badezimmer gesucht hatte, ging er zu Susanna ins Erdgeschoss. Sie wartete am Tisch mit Tee und Toast auf ihn.
„Ich habe noch nichts gegessen“, erklärte sie.
Tony setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber und wartete ab. Wie er vermutet hatte, begann sie zu sprechen: „Eigentlich wollte ich mit dir reden.“ Sie klang ein wenig unsicher.
Tony nahm sich ein Toast und betrachtete es.
„Weißt du, du siehst für mich nicht aus wie ein gewöhnlicher Verbrecher“, meinte Susanna.
„Das freut mich.“ Tony sah auf.
„Ich möchte dich nur etwas besser kennen lernen“, fuhr sie fort, „also, warum warst im Gefängnis?“
Tony sah ihr nun direkt in die Augen. „Ich weiß es nicht.“
Susanna machte ein fragendes Gesicht.
„Ich meine, ich kann mich nicht erinnern, irgendetwas verbrochen zu haben.“ Tony entschied sich, seine Erinnerungslücken nicht direkt anzusprechen.
„Oh“, sagte sie verwirrt, „dann eben etwas anderes…wie alt bist du?“
„Achtzehn.“
„Gut, das ist doch schon mal was. Jetzt darfst du etwas fragen.“
Tony musste nicht lange überlegen: „Warum hilfst du mir?“
Susanna senkte den Blick auf ihr Toast. „Ich weiß nicht genau. Vielleicht bin ich einfach verzweifelt.“
„Weshalb?“
„Nimm es mir nicht persönlich, aber anfangs hatte ich gehofft, dass Solyce mir Teresa zurückgibt, wenn wir dich mit ihm gehen lassen.“
Tony nahm es ihr nicht übel, derartig zu denken. „Sie ist deine Tochter, natürlich willst du sie zurück.“ Er bemühte sich wirklich, einfühlsam zu sein.
„Danke.“ Tony konnte ihre Traurigkeit in den Augen sehen.
Die Wanduhr hinter Susanna zeigte neun Uhr. Tony konnte sich nicht entsinnen, jemals so lange geschlafen zu haben, aber es fühlte sich gut an.
„Glaubst du wirklich“, fing Tony an, „dass Solyce dir Teresa einfach weggenommen hat?“
„Du glaubst gar nicht, wie lange ich mir eingeredet habe, dass es anders ist. Aber warum durfte ich sie dann niemals sehen?“ Sie atmete ein paar Male tief durch. „Ich möchte nicht mehr darüber reden.“
Damit wandte sie ihre volle Aufmerksamkeit ihrem Frühstück zu.
Die Stille machte Tony nervös und er knabberte an seinem Toast herum. Die schwarze Katze, die er gestern noch auf dem großen Sofa hatte liegen sehen, kam hereinspaziert. Susanna bemerkte sie nicht, obwohl sie sich laut maunzend an ihrem Stuhlbein rieb.
Als das Schweigen beinahe unerträglich wurde, klingelte es an der Haustür und Susanna sprang auf und verließ das Zimmer. Wenig später kehrte sie mit einem vollkommen durchnässten Jon im Schlepptau zurück. Tony vermutete, dass es draußen regnete.
Jon sparte sich die Begrüßung und spähte in die Teekanne. Offenbar gefiel ihm der Anblick nicht, denn nur eine Sekunde später drehte er sich mit einem Schnauben weg und begann, sich einen Kaffee zu kochen.
„Wie war es bei der Arbeit?“, fragte Susanna ihren Mann.
„So wie üblich“, kam die schlecht gelaunte Antwort.
Susanna erwiderte nichts.
„Wenn Solyce hier war,
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