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Schwarz wie Samt

Schwarz wie Samt

Titel: Schwarz wie Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Trump
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beeinflussen, wusste ich doch, dass sie es nur gut mit mir meinte. Es gab auch Zeiten, so wie jetzt, wo sie mir so sehr auf die Nerven ging, dass ich sie am liebsten umgebracht hätte. Und ausgerechnet jetzt war ich wieder auf sie angewiesen: Sie musste mir helfen gegen Ivan meinen Prozess zu gewinnen. Sie kannte ihn besser und mit ihrer Unterstützung als Zeugin hoffte ich, würde ich gute Chancen haben.
    Also machte ich mich auf den Weg hinüber zum Hotel, nicht ohne Salman vorher meinen Autoschlüssel zu geben und ihm zu raten, sich doch selbst in Berlin umzuschauen. Er hatte einen ausgeprägt guten Orientierungssinn und würde sicher auch ohne mich zurechtkommen.
    Meine Mutter stand bei Frau Koch am Tresen, als ich durch die Halle ging. Sie drehte sich zu mir um und sagte: „Komm Arven, wir gehen nach oben, da sind wir ungestört!“ Während wir die Treppe hochstiegen, fragte ich sie: „Was hast du eigentlich gestern in Onkel Jacobs Schreibtisch gesucht?“ Sie sah mich nicht an, als sie antwortete: „Da werden wir gleich darüber sprechen.“
    Mutters Zimmer war fein eingerichtet, mit zierlichen Rokoko Möbeln und einer zarten Streifentapete, die moiréartig schimmerte. Wir setzten uns ans Fenster und auf dem kleinen runden Tisch lag ein Stapel Briefe, der mit einem roten Band zusammengebunden war. Obwohl der schwarze Leinenanzug meiner Mutter leicht verknittert war, sah sie heute besonders gut aus. Ihr blondes Haar hatte sie zu einem Dutt hochgesteckt. Der Goldschmuck, den sie eigentlich immer trug, fiel dadurch besonders auf.
    Sie nahm mir gegenüber Platz und sagte förmlich: „Liebe Arven, was ich dir heute sage, wird dein Leben verändern und vielleicht wirst du mich danach hassen, aber ich habe mich entschieden, dir die Wahrheit zu sagen.“
    Ihre Hände hielten die Stuhllehne krampfartig fest und sie atmete schwer. Mit traurigen Augen und zitternder Stimme fuhr sie fort: „Es geht um deine Herkunft, um deinen Vater und um mich.“ Dann machte sie eine Pause, in der sie mich eindringlich ansah: „Du musst nämlich wissen, dass ich in der Vergangenheit nicht aufrichtig zu dir und deinem Vater war. Du bist nicht seine leibliche Tochter.“
    „Was?“, entfuhr es mir und ich konnte einen Augenblick lang keinen klaren Gedanken fassen. Ich stand auf und ging ans Fenster. Meine Mutter sprach indessen leise weiter: „Es kommt noch schlimmer, du bist nicht die Tochter deines Vaters, sondern du bist die Tochter von Onkel Jacob.“ Sie war ebenfalls aufgestanden und hatte mir ihre Hand auf die Schulter gelegt. Ich schüttelte sie energisch ab und drehte mich zu ihr um. „Das ist doch nicht wahr!“, war alles, was mir darauf einfiel. Dann sank ich wieder auf meinen Stuhl zurück. Alles um mich herum drehte sich.
    Ich blickte zu ihr auf und sagte: „Du behauptest also dein Bruder ist mein Vater?“ Mein Magen begann sich umzudrehen, ich sprang auf und rannte auf die Toilette. Das war einfach zu viel, das konnte ich nicht fassen. Meine Mutter war im Zimmer geblieben und hatte sich wieder gesetzt. Ihr liefen die Tränen über die Wangen, als ich keuchend zurückkam.
    Sie hatte das Briefpäckchen geöffnet und hielt mir einen aufgefalteten Brief hin. „Lies!“, sagte sie mit leise.
    Es war ein Brief auf leicht angegilbtem Papier von Jacob an meine Mutter. Darin erkundigte er sich nach mir, nach meinen ersten Schritten und ob ich in Amerika auch vernünftiges Essen bekam. Es waren fürsorgliche Worte, Fragen eines besorgten Vaters, der sein Kind noch nie gesehen hatte. Obwohl dieser Brief sehr nett war, konnte ich im Augenblick nicht nachvollziehen, dass das Kind von dem die Rede war, ich gewesen sein sollte. Ich las ihn nicht zu Ende und legte ihn wieder auf den Stapel zurück, wie wenn ich mich daran verbrannt hätte. Meine Mutter schniefte in ihr Taschentuch und legte den Brief mit zittrigen Händen wieder zusammen. Mir fehlten zunächst die Worte. Wenn das stimmte, war ich also das Produkt einer Inzestbeziehung.
    „Und was ist mit Papa?“, fragte ich. Meine Mutter sah mich verzweifelt an und antwortete: „Er weiß es noch nicht!“ „Du hast ihn also über zwanzig Jahre in dem Glauben gelassen, dass ich seine Tochter bin!“, sagte ich entsetzt. „Er wird dich dafür hassen, wenn du ihm die Wahrheit sagst!“
    Mein Vater war ein Wahrheitsfanatiker. Man konnte ihm alles sagen, auch wenn es noch so schrecklich war, aber Lügen ertrug er nicht. Er reagierte dann immer völlig überzogen, schrie herum

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