Schwarz
Pulsmesser ein Wert, bei dem ihre Gesundheit in Gefahr geriet. »Kann das denn stimmen? Osman ist doch der sudanesische Politiker,der am meisten westlich orientiert ist. Die EU und die USA möchten, dass er der nächste Präsident des Sudan wird.«
Clive Grover nahm den Bericht von Botschafterin Cliff und die Zusammenfassung des Gesprächs zwischen Osman und dem Unbekannten, legte beide auf den nächsten Schreibtisch und beugte sich vor, um sie zusammen mit Betha Gilmartin zu lesen.
»Diese Texte lassen keinen Spielraum für unterschiedliche Interpretationen, Osman hat in seinen Ansichten eine Kehrtwendung vollzogen«, sagte Grover, der als Erster fertig gelesen hatte.
»Der Mann muss möglichst schnell und möglichst unauffällig zum Verhör geholt werden. Befiehl dem SAS, einen Plan zu machen, und zwar ruck, zuck!«, ordnete Betha Gilmartin an.
»Kann denn der SAS den Vizepräsidenten des Sudan mitten in Khartoum entführen?«, fragte Grover unschlüssig.
»Das wird sich bald herausstellen«, erwiderte Betha gereizt, sie bemerkte, dass auf ihrem Pulsmesser die Ziffern 1, 3 und 8 blinkten, und beschloss, in ihrem Arbeitszimmer zu verschwinden und sich aufs Sofa zu legen, bevor sie im Lageraum umfiel.
***
In Kapstadt schien die Sonne, und der Tafelberg beeindruckte Kati Soisalo, auch wenn sie ihn nur aus dem Taxi sah, das durch die Vororte raste. War das da hinten Robben Island, die Insel, auf der Nelson Mandela siebenundzwanzig Jahre lang eingekerkert gewesen war? Sie hatte im Flugzeug nur einen Teil ihres Reiseführers gelesen und war dann eingeschlafen.
Es war kurz vor neun am Sonntagmorgen. Hinter ihr lag ein siebzehnstündiger Flug, zwei Stunden davon hatte sie im Gedränge von Heathrow auf die nächste Maschine gewartet. Zum Glück hatte sie während des Flugs so gut geschlafen, dass sie sofort an die Arbeit gehen konnte. Nach ihrer Ankunft in Kapstadt hatte sie sich im Flughafenhotel »Road Lodge« eingebucht, geduscht, umgezogen und ein Taxi bestellt, mit dem sie nun in den Vorort Table View fuhr. Wenn Henri Pohjala lebte, dann wollte sie ihn finden und zwingen, sein Wissen über Sibirtek preiszugeben. Und das Wichtigste: Damit würde sie Jukka Ukkola ins Gefängnis befördern.
Das war ihre erste Reise auf den afrikanischen Kontinent, und es ärgerte sie, dass ihr keine Zeit blieb, die Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Die Termine der nächsten Tage abzusagen war kein Problem gewesen, aber bis zu einem Prozess am kommenden Donnerstag musste sie nach Finnland zurückgekehrt sein. Das war blöd, denn sie müsste ohnehin um eine Vertagung bitten, weil sie sich wegen ihrer Reise nicht ordentlich auf den Prozess vorbereiten konnte. Das Leben war chaotisch, dank Leo Karas Ermittlungen und dank ihrer stets gleichen Sorgen, der Angst vor Ukkola und der Sehnsucht nach Vilma. Sie sah in einem Straßencafé einen Touristen, der seinen Kaffee und die Morgensonne genoss, und ihr wurde klar, dass sie nicht endlos so weiterleben konnte. Sie musste das Schicksal ihrer Tochter endlich annehmen, sich damit abfinden.
Als das Taxi an der Ecke Blaauwberg Road und Otto-du-Plessis-Drive anhielt, stellte Kati Soisalo überrascht fest, dass sich der Woolworths-Supermarkt in einem Einkaufszentrum befand. War das ein Vorteil für sie oder eher ein Nachteil? Sie bezahlte, betrat das eingeschossige Shoppingcenter Bayside und studierte den Lageplan. Das Geschäft Nummer 95 fand sich schnell, Woolworths hatte sein Domizil in einem der größten Räume des Gebäudes.
So früh am Sonntagmorgen waren nur einige Kapstädter unterwegs. Kati Soisalo schätzte, dass zwei Drittel der Kunden Weiße waren, und zog daraus den Schluss, dass in der Gegend von Table View bessergestellte Leute wohnten. Doch was wusste sie schon von der jetzigen Situation in Südafrika, seit dem Ende der Apartheid waren immerhin fast zwanzig Jahre vergangen.
»Perfekt«, dachte Kati Soisalo, als sie am Eingang von Woolworths, oder genauer gesagt des Geschäfts daneben, ein Café namens »Coffee@The Bay« erblickte. Ihr erstes Problem hatte sich so ganz von allein geklärt. Sie kaufte sich einen Latte macchiato, setzte sich an einen Fenstertisch und überlegte, wie viele Tage sie hier in dem Café auf ihrem Posten sitzen müsste, bis Henri Pohjala die Lebensmittel ausgingen.
Das Ganze kam ihr unwirklich vor. Sie war bis ans Ende der Welt geflogen, um Henri Pohjala zu suchen, nur weil Salme Pohjala während ihres Urlaubs in diesem Supermarkt eingekauft hatte.
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