Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -
Leben gekommen.
Beendete Einsätze:
Kambodscha (Mai 92–November 93)
UNTAC
1 Soldat
Georgien (Mai 94–Juni 09)
UNOMIG
1 Soldat
Bosnien/Herzgw. (Dez. 95–Dez. 96)
IFOR
1 Soldat
Bosnien/Herzgw. (Dez. 96–Dez. 04)
SFOR
15 Soldaten
Laufende Einsätze:
Bosnien/Herzgw. (seit Dez. 04)
EUFOR
3 Soldaten
Bosnien/Herzgw./Albanien/
Mazedonien/Kosovo (seit Juni 99)
KFOR
27 Soldaten
Afghanistan/Usbekistan
(seit Dez. 01)
ISAF
47 Soldaten
Bei 24 der insgesamt 77 Toten der laufenden Einsätze, also über 30 Prozent, sind die Todesumstände nach wie vor ungeklärt. Sowohl dieser unglaubliche Prozentsatz, wie auch die strikte Geheimhaltung, mit der Todesfälle innerhalb der Speziellen Einsatzkommandos oder bei den, jeglicher demokratischen Kontrolle entzogenen, Geheimoperationen unter Verschluss gehalten werden, sind nur erneute Belege dafür, dass die Wahrheit nur unter Druck und scheibchenweise zugeben werden oder die Beispiele von Geheimbündelei in den Hinterzimmern der Macht nicht mehr als Ausnahmen anzusehen sind. Sie sind strukturbestimmend für die Bundeswehr.
Egal, wer gerade Verteidigungsminister ist, egal, welcher politischen Couleur die jeweils Regierenden zugehören, egal, wie die Spitzenämter des Militärs und des Verteidigungsausschusses, der ja die Kontrolle ausüben soll, besetzt sind – in immer kürzeren Abständen jagt ein Skandal den anderen, und immer erfolgt die Aufklärung nach dem Prinzip der drei heiligen Affen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Bis man, von den doch irgendwie bekannt gewordenen Tatsachen überrollt, nicht mehr anders kann, als Stellung zu beziehen – und dann folgt selbst in dieser Lage lediglich ein ebenfalls bis zum Überdruss bekanntes Reaktionsmuster: Zuerst einmal wird der einfache Soldat bezichtigt, den ganzen Schlamassel selbst verursacht zu haben, nie war es ein Fehler von Vorgesetzten, ein Fehler ranghoher Militärs oder gar ein Fehler der politischen Führungsmannschaft. Deswegen soll gerade in diesem Kapitel, das ja vom einfachen Soldaten und seinen Nöten handelt, noch einmal vom – vor Erscheinen dieses Buches – aktuellen Aufklärungsstand bei den Skandalen der Bundeswehr gesprochen werden, die jüngst ans Licht der Öffentlichkeit kamen.
Die aktuellen Skandale
Zunächst zum Tod auf der Gorch Fock:
Dienstuntauglich oder genauer »Borddienstverwendungsunfähigkeit« heißt es im vorläufigen Untersuchungsbericht der Marine, der Anfang Dezember 2010 erstellt wurde, über den tödlichen Unfall der Offiziersanwärterin, die am 7. November 2010 auf dem Segelschulschiff der Marine Gorch Fock zu Tode kam.
Die Kadettin sei am Unfalltag in einem mangelhaften körperlichen Zustand gewesen. Bei ihrer Körpergröße von 1,58 Meter habe sie 83 kg gewogen.
Im Bericht wird festgestellt: »Weiterhin ist festzuhalten, dass OMT OA S . (Obermaat Offiziersanwärter) aufgrund ihres Körpergewichts am Unfalltag zusätzlich nicht borddienstverwendungsfähig gewesen wäre.«
Was soviel heißt wie: Die Fitness war nicht ausreichend für den Dienst. Weiterhin heißt es: »Die Obduktion ergab ein Körpergewicht, welches in Relation zur Körpergröße eine Borddienstverwendungsfähigkeit ausgeschlossen hätte.«
Trotz dieser scheinbar klar ersichtlichen körperlichen Mängel musste sie an jenem besagten Tag siebenmal in die Takelage der Gorch Fock hinaufklettern. Bei diesem siebten Mal stürzte sie auf das Deck und erlag später ihren Verletzungen.
Warum sie trotz ihrer geringen Körpergröße auch noch eine Ausnahmegenehmigung für den Einsatz auf der Gorch Fock erhalten hatte, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt ungeklärt. Warum die massive Zunahme des Gewichts seit ihrer Versetzung auf die Gorch Fock nicht erkannt wurde, »kann noch nicht abschließend beantwortet werden«, heißt es im Untersuchungsbericht der Marine.
Genauso bleibt offen, warum der zuständige Offizier an Deck die Einschätzung eines an Bord befindlichen Ausbilders ignorierte. Nach dessen Ansicht war es nicht ratsam, Frau S. nochmals aufentern zu lassen. Nach seinem Dafürhalten hatte sie »Schwierigkeiten und sollte im unteren Bereich bleiben«.
Was der Bericht nicht zutage fördert, ist die Tatsache, dass die tödlich verunglückte Kadettin genauso wie der verantwortliche Unteroffizier erst zwei Tage vor dem tragischen Vorfall an Bord kam. Dieser Unteroffizier sei erst gar nicht in die Aufgabe eingewiesen worden, die für die Überwachung der Segelausbildung in der Takelage
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