Schwarzbuch Wachtturmgesellschaft - der verborgene Januskopf (Will Cook und die Wachtturmgesellschaft) (German Edition)
schlimm werden, dafür hat die Organisation gesorgt. Ein hauptamtlicher Mitarbeiter gelangt in diesen – bei Zeugen sehr begehrten Status – nur, wenn er auf alle Ansprüche, die ihm in einem normalen Beschäftigungsverhältnis zustehen würden, von vornherein verzichtet. Da er außerdem nur ein Taschengeld für seine Vollzeitarbeit erhält, kann er keine finanziellen Rücklagen für ein eventuelles Ausscheiden bilden, sodass er in jeder Weise nicht nur sozial, sondern auch finanziell und versorgungsmäßig, man kann sagen, in seiner gesamten Existenz von der WTG abhängig ist.
Und das soll ohne jede hintergründige Absicht so sein? Obendrein sogar gottgewollt? Schwer zu glauben. Auch hier geht es um etwas ganz anderes. Es geht um Macht und Kontrolle einer Organisation. Einer Organisation, die es bislang zwar erfolgreich verstanden hat, sich selbst jeder Kontrolle erfolgreich zu entziehen, aber auf die Kontrolle der mit ihr Verbundenen auf keinen Fall verzichten will.
Eine sehr effektive Kontrolle, die aber dennoch nicht verhindern konnte, dass sich die WTG zunehmend Problemen ausgesetzt sieht.
Der Zwang zum geistigen Spagat
„Tue, was sie sagen, aber sage nicht, was sie tun“, ist ein Ausspruch, der zutreffend beschreibt, was viele, vor allem junge Zeugen, angesichts der WTG-Skandale heute denken und über das Medium Internet auch verbreiten. Die öffentlich diskutierte NGO-Assoziierung bei der UNO und die bekanntgewordene Praxis in den U.S.A., Opfer von Kindesmissbrauch 234 in den eigenen Reihen durch außergerichtliche Einigung in Millionenhöhe von Spendengeldern ruhig zu stellen, haben auch in den Reihen der gesellschaftstreuen Zeugen, allen Geheimhaltungsbemühungen der WTG zum Trotz, Wirkung gezeigt.
Die Organisation musste realisieren, dass sich in einer Zeit des nahezu unbeschränkten Zugangs zu Informationen über das Internet derartige Interna nicht unbegrenzt lange verborgen halten lassen.
Die bekanntgewordenen finanziellen Praktiken haben viele ehemaligen Zeugen zu der zutreffenden Erkenntnis gebracht, dass bei der WTG der Schwanz doch mit dem Hund wedelt. Oder der Hund war beständig das Geschäft der Korporationen und der Schwanz die Religion. So betrachtet stimmen das Bild und auch die Proportionen wieder überein.
Es sind in Wahrheit wohl immer und in erster Linie das Streben nach Macht und das wirtschaftliche, finanzielle Interesse gewesen, dass die Unternehmung Wachtturmgesellschaft bewegt und antreibt.
Was die Führung der Organisation bestimmt und ihre tägliche Entscheidungspraxis prägt. Die Übertragung der Macht von einer Person, dem Präsidenten, auf ein Gremium, die leitende Körperschaft, haben die Dominanz des wirtschaftlichen Denkens gegenüber den religiösen Aspekten keineswegs beseitigt, sondern nur in eine andere Organisationsform geleitet.
Kein Wunder, dass sich angesichts der Gegensätze zwischen den christlichen Idealen und der Macht- und Profitorientierung der WTG-Januskopf herausbilden musste. Es war die nahezu zwangsläufige und unvermeidbare Folge eines geistigen Spagats zwischen diesen beiden so gegensätzlichen Polen.
Auch Raymond Franz bestätigt aus seiner Sicht als ehemaliger Angehöriger des höchsten Gremiums der Organisation, der leitenden Körperschaft, die ungebrochene Kontinuität des autoritären Systems der Wachtturmgesellschaft, allerdings ohne den wirtschaftlichen Aspekt direkt anzusprechen oder auf ihn einzugehen:
„Ich hatte gedacht, das „monarchische“ System, das in der Verwaltung der Zeugen Jehovas herrschte, sei weitgehend für das autoritäre Klima verantwortlich.
Nach der großen Umorganisation von 1975 -1976 wurde klar, dass das ein Irrtum war.
Ich hatte ehrlich gehofft, die neue Struktur würde den Weg für eine grundlegende Änderung in der Einstellung und im Geist aufzeigen oder zumindest vorbereiten; man würde das Dienen betonen und die anderen nicht überwachen oder als Untergebene behandeln.
Mit der Zeit wurde ziemlich deutlich, dass das Endergebnis in Wirklichkeit nur eine Aufteilung und Weitergabe von Macht war. Nun tat eine Gruppe von Männern dasselbe wie vorher ein einzelner. Praktisch wurde das Innere des Hauses umgestaltet – aber es war immer noch dasselbe Haus, und sein grundsätzliches Aussehen hatte sich nur wenig geändert.
Die Machtstruktur, der Denkansatz und die Sichtweisen der Vergangenheit waren immer noch vorhanden und immer noch dominant.“ 235
Gegen diese vorherrschende Machtstrukturen, das auf
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