Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
Vom Netzwerk:
Hintergründe sollte ermitteln, wer immer dazu Lust hatte. Bobby, der Gonganbu, meinetwegen der chinesische Innenminister persönlich.
    Â»Ich habe auch lange gezögert«, gestand ich meiner Freundin ein, »aber dann habe ich mich erinnert, daß wir heute unter völlig anderen Bedingungen leben als gestern noch. Man muß sich – ob einem das recht ist oder nicht – daran gewöhnen, daß es neue Verhältnisse gibt, neue Einrichtungen, neue Regierende auch, und deshalb entstehen auch völlig neue Zusammenhänge, auf die man in der Ermittlungsarbeit stößt.«
    Â»Mir ist das alles noch ziemlich unbehaglich«, gestand sie mir. Sie sprach das aus, was wir alle mehr oder weniger empfanden und von dem wir nicht wußten, auf welche Weise wir damit fertig werden würden. Erst die Zeit konnte das erweisen, und es bestand immerhin die Möglichkeit, daß wir aufgaben.
    Â»Man könnte nach Singapore auswandern ...« sinnierte Pipi, während sie zusah, wie ein paar Möwen sich über dem Wasser um ein darin schwimmendes Stück Pizza stritten. Die Vögel hatten einen untrüglichen Sinn für etwas Eßbares, denn es war gar nicht so leicht, den Pizzarest von den unzähligen ungenießbaren Überbleibseln der Nacht zu unterscheiden, die ebenfalls auf dem Wasser schaukelten, Bierdosen, Souvenirpüppchen mit dem Gesicht Dianas, Feuerwerkskörper, britische und chinesische Fähnchen, oder solche mit dem neuen Wahrzeichen Hongkongs, der fünfblätterigen Bauhinia-Blüte.
    Weil die Fähre in diesem Augenblick am Kowlooner Pier anlegte, brauchte ich mich zu Singapore nicht mehr zu äußern. Vielleicht war es am besten, wir ließen die Zukunft an uns herankommen und warteten ab, was sie uns brachte. Also sprachen wir nicht mehr über die Sorge, die wohl die meisten Hongkonger in diesen Tagen bewegte.
    Pipi hatte sich fein gemacht. Ihr Pony glänzte von einer neuen Haartinktur, das Gesicht war gebräunt – nicht von der Sonne, sondern von den Lampen im Solarstudio des Excelsior – und ein superkurzer Mini ließ ihre Beine endlos erscheinen.
    Wir nahmen ein Taxi, das uns den halben Kilometer die Nathan Road hinauf bis zur Ostseite des Kowloon Parks brachte, wo das Shopping Paradies Park Lane lag. Natürlich hätten wir uns ebensogut ins Ocean Center bringen lassen können oder zu irgendeinem der unzähligen anderen Märkte, deren Angebot sich nur unwesentlich von dem in Park Lane unterschied. Wir hätten auch in Aberdeen bleiben können, das Centre in der Chengdu Road war eines der besten auf der Insel – nur hatte sich Pipi eben die vollklimatisierte Passage am Kowloon Park in den Kopf gesetzt, weil sie lange nicht in der Gegend gewesen war, und weil wir den freien Tag auch zu einem Spaziergang im Park hinter der Einkaufsmeile nutzen wollten. Nicht zuletzt wohl auch, weil das Park Lane Center in diesen Tagen eine Reklamekampagne führte, die ihre Wirkung besonders auf junge Damen wie Pipi nicht verfehlte.
    Zu recht, wie sich bald erwies. Nachdem Pipi außer einem Kleid, zwei Paar Schuhen, einigen Armreifen und ähnlichen Errungenschaften der modernen Zivilisation auch ein halbes Dutzend neuer Musikscheiben und zuletzt noch einen der dieses Jahr gängigen einteiligen Badeanzüge erworben hatte, gab sie ihren Entschluß bekannt, nach einem Imbiß in einem der Parkrestaurants das Hallenschwimmbad zu besuchen und dort den Fisch zu spielen, ein Vergnügen, das sie sich in Aberdeen, um unsere Dschunke herum, eben nicht gönnen konnte, ohne am Tage danach außer der Krätze noch ein halbes Dutzend aus dem Wasser der Bucht aufgelesene Infektionskrankheiten an sich zu entdecken. Ich konnte gerade noch aus dem Billigangebot am Wühltisch eine knallrote Badehose erwerben, und so tummelten wir uns am Nachmittag ausgiebig in dem leicht nach Chlor duftenden kristallklaren Wasser des wohltemperierten Bades, zusammen mit etwa der Hälfte der Bevölkerung von Tsim Sha Tsui, bis wir angenehm müde wurden und eine Ruhestunde auf nicht sehr bequemen, aber dafür ziemlich billig zu mietenden Pritschen einlegten.
    Dabei hatte Pipi die Idee, auf der Rückfahrt in Wanchai Station zu machen, und zwar in der kleinen Kneipe, die meine Mutter dort immer noch betrieb, mit wachsendem Erfolg neuerdings, weil in diesem Flecken Hongkong mit seinen Wolkenkratzern, den Glasfassaden und Messingtürmen, all den

Weitere Kostenlose Bücher