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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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ein paar Berichte zu tippen, um die Zeit totzuschlagen, während der Sturm an den Fenstern rüttelte und wahre Sturzbäche sich Stunde über Stunde in die Straßen ergossen.
    Unsinn, jetzt etwas in der City erledigen zu wollen. Die Straßen standen unter Wasser, die Fluten ergossen sich in die Tunnels, Straßenbahnen und Doppelstockbusse bahnten sich mühsam ihren Weg wie durch einen Ozean. Baumkronen wurden von Böen zu Boden geschleudert, und es wurde schwerer und schwerer, die Sirenen der Feuerwehr vom Geheul des Sturmes zu unterscheiden.
    Gegen Mittag rief Pipi an und teilte mir mit, sie sei im Excelsior angekommen, wisse aber nicht, wann sie es wieder verlassen könne.
    Ein Bote brachte mir und dem Bewährungshelfer ein Mittagessen, aber ich hatte beim Verzehren den Verdacht, daß der Container doch nicht ganz dicht gewesen war; jedenfalls schmeckten die Lockennudeln wäßrig.
    Wir hatten Pritschen zusammengeklappt in einer Abstellkammer stehen. So verbrachten wir die Zeit, in der sich die Elemente draußen austobten, im wesentlichen schlafend. Als es nach Tagen endlich aufklärte und wir aus dem Radio erfuhren, daß der Taifun einen großen Teil der elektrischen Leitungen in Hongkong abgerissen und eine ansehnliche Zahl von Bäumen geknickt hatte, das Unwetter sich aber langsam in Richtung Mutterland verziehe, vergewisserte ich mich, daß meine Dschunke noch an ihrem Platz lag, und dann entschloß ich mich, der Sekretärin des ermordeten Mister Yueh, von der ich bisher nur einen Teil ihrer Unterwäsche auf der Leine im Bad ihres Herrn Chefs kannte, einen Besuch abzustatten.
    Ich erreichte ihre Mutter am Telefon. Ja, sie sei ins Büro. Und ja, es sei furchtbar, die Sache mit Mister Yueh, aber die Zeitung erscheine weiter, vorläufig jedenfalls, die Redakteure besorgten das. Und ob sie sonst noch zu Diensten sein könne ...
    Ich hatte, während draußen der Taifun über die Stadt hinweg- fuhrwerkte, Zeit genug gehabt, mir eine Legende zurechtzulegen, die für Außenstehende mein Engagement in diesem Fall erklären sollte. Dabei war ich auf den Bruder Yuehs verfallen, der nach Bobby Hsiangs Hinweis in London Antiquitäten verkaufte, oder was immer er darunter verstand. Also servierte ich das der Dame gleich zu Beginn unserer Unterhaltung.
    Alma Tsao, die Sekretärin des Ermordeten, war ein ansehnliches Stück Hongkong. Sie hatte ein feingeschnittenes Gesicht, das irgendwo noch verriet, daß es in ihrer Ahnenreihe nicht Chinesen gab. Der Eindruck wurde dadurch noch verstärkt, daß sie ihr sehr langes, im Nacken gebündeltes Haar leicht rot angefärbt hatte – eine überwältigende Wirkung.
    Ich konnte nicht verhindern, daß sie mir meine Überraschung anmerkte, und deshalb versuchte ich erst gar nicht, sie zu verbergen. Im Gegenteil, ich zog die Augenbrauen hoch, als sie mir so im Büro des Herrn Yueh gegenübersaß, und sagte im Tonfall eines Fan-Club-Managers: »Madame, Sie sind eine der schönsten Frauen, die ich seit dem Frühstück zu Gesicht bekam ...«
    Ich wollte das Gespräch von Anfang an locker halten. Das gelang mir auch. Sie lächelte und bedankte sich artig für das Kompliment, worauf ich mit dem Gummihämmerchen gleich noch einmal zuschlug: »Ich vergaß zu erwähnen, daß ich das Frühstück an meinem zwölften Geburtstag meine!«
    Danach sprachen wir eine Weile über Sturmstärken, zerbrochene Fensterscheiben, auf den Parkplätzen zusammengewehte Autos und ähnliche Erscheinungen, die das Unwetter uns beschert hatte. Sie wußte noch nichts von der Meldung, daß die verschiedenen Fahnen der Volksrepublik, die an den Masten fehlten, nicht etwa von Mutterlandsgegnern abgerissen worden waren, sondern eben vom Sturm. Aber sie entpuppte sich als intelligent, denn sie hielt sich nicht lange mit derlei Vorsprüchen auf. Fragte mit dem freundlichsten Lächeln: »Ich hatte vorhin, als Sie sich anmeldeten, leider nicht verstanden, wer es war, der Sie engagierte, Herr Lin Do ...«
    Â»Lim Tok«, verbesserte ich sie dezent. Ich wurde vorsichtig. Die Frau ließ sich nicht an der Nase herumführen. Also verband ich die Korrektur mit meinem Feiertagslächeln und eröffnete ihr: »Mister Yueh hat einen Bruder, in London. Ich arbeite in seinem Auftrag.«
    Das mußte sie total überraschen, und diesmal konnte sie das nicht verbergen. Sie schluckte.

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