Schwarze Blüte, sanfter Tod
einlaufen lieÃ.
Wir belegten wieder den gleichen Ecktisch wie beim letzten Mal. AuÃer uns gab es heute hier nur noch zwei alte Damen, die offenbar in der Lotterie gewonnen hatten, denn sie aÃen den teuersten Kuchen aus dem umfangreichen kantonesischen SüÃspeisenrepertoir, das die Kneipe komplett zu führen schien.
Und dann war da noch ein Herr in reiferen Jahren, der hatte einen Hund bei sich, von der Sorte, die ich gewöhnt war, BullenbeiÃer zu nennen, wegen der gefährlich aussehenden Zähne. Doch dieses Exemplar war offenbar so alt oder so träge, daà es nicht einmal einen seiner Sehschlitze öffnete, als ich an ihm vorbeiging und artig »Guten Abend« sagte.
Möglicherweise war er auch zu vollgefressen, um noch aus den Augen gucken zu können, ohne daà es ihm weh tat.
Blondel hatte sich ebenfalls bei Bier eingerichtet. Er hielt mir die Hand hin, und dabei kniff er ein Auge zu: »Weiter ins Rollen bringen ...?«
Die Schönheit von der Bar stellte das Bier vor mich hin, und Blondel warf ihr einen schmachtenden Blick zu, den sie geschmeichelt erwiderte.
Anstandshalber lobte ich sie: »Niemand schenkt das Bier so zauberhaft ein wie Sie!«
Wir nahmen erst einen gesunden Zug, dann steckten wir die Köpfe zusammen, und nach einer gewissen Zeit waren wir uns einig, was nun kommen sollte. Worauf wir uns ein paar Dim Sum kommen lieÃen und je ein Schälchen Cherry. Weil Blondel offenbar ein Leckermaul war und ich anstandshalber mitmachte.
Am nächsten Nachmittag, als der Island Guardian herauskam, konnten die Leute da, wo es nicht zu übersehen war, folgende Geschichte lesen:
ERBIN AUS DEM SCHATTEN
Seltsame Dinge sind geschehen. Der Chef der » Pacific Voice « wird ermordet. Sein Bruder, der das beliebte Boulevardblatt erben soll, wird ebenfalls umgebracht, bevor er das Erbe antritt. Jemand öffnet heimlich sein Grab. Darin liegt aber nicht dieser Erbe, sondern ein Mann, der die Tätowierung der Chiu Chao trägt, des Clans der San Tien Hui, eine der mächtigsten Triaden. Dann wird der Rechtsanwalt B. Y., nachdem bereits bei ihm eingebrochen wurde, krankenhausreif geschlagen, weil er das Testament des Zeitungsbesitzers nicht herausrückt. In dem soll es (!) einen nachträglichen Zusatz über einen weiteren Erben geben â eine auÃereheliche Tochter des Erblassers.
Niemand weià Genaues. Nicht einmal der Privatermittler L. T., der im Familienauftrag an der Aufklärung der Sache arbeitet. Wohl weil unsere Polizei nicht gerade die Aura höchster Effizienz um sich verbreitet, besonders bei solchen höchst privaten Geschichten. Allerdings gelingt es ihr, auf der Wohndschunke des besagten Privatermittlers, zufällig zwei ungebetene Besucher festzunehmen, die dort lauern. Auch sie entpuppen sich als Chiu-Chao-Leute. Dann wird der Privatermittler, dem wohl der ungebetene Besuch auf seiner Dschunke galt, bewuÃtlos geschlagen und in einen Keller gesperrt. Leute, die sich nicht vorstellen, wollen von ihm wissen, wo das Testament zu finden ist und um wen es sich bei der auÃerehelichen Tochter des Zeitungsmannes handelt. Es gelingt ihm, zu flüchten. Dann verhaftet die Polizei einen Tanzschuppenbesitzer in Kowloon, von dem Eingeweihte uns verraten haben, daà er der »Exekutor« der hiesigen Chiu-Chao-Clique ist. Und plötzlich taucht im Büro des ermordeten Zeitungstycoons eine Dame im besten Alter auf, um zu ȟbernehmen«. Die Erbin? Sie sagt, ja. Interessant: Die bisher in diesem Büro sitzende »rechte Hand« des toten Chefs der » Pacific Voice « verschwindet spurlos.
Was geht da eigentlich vor?
Unser Redaktionsbote meint, es handelt sich ganz einfach darum, daà die Chiu-Chao-Sippe, die in Hongkong selbstverständlich auch ihre Organisation hat, mit der » Pacific Voice « nicht nur eine Geldquelle, sondern auch ein Instrument für sich »erwerben« möchte, das ihr erheblichen Einfluà auf Massen von Lesern sichern soll. Wofür, das ist von klugen Leuten zu erraten.
Die so überraschend in der Redaktion des beliebten Blattes aufgetauchte »Erbin« wurde von uns um Gewährung eines Interviews gebeten. Sie lehnte ab.
Rechtsanwalt B.Y., an seine Schweigepflicht gebunden, äuÃert sich nicht. (Abgesehen davon, daà er eine schwere Gehirnerschütterung auszukurieren hat, die sein Erinnerungsvermögen beeinträchtigt. Wie er sagt.)
Was den Island
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