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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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ein Wecker, über den ein unwilliger Spätaufsteher ein Kissen gestülpt hatte.
    Bobby hörte eine Weile zu, dann sagte er zu mir, sich ein Grinsen verkneifend: »Dein Bewährungshelfer hat dem Kollegen von der Kidnapping-Sektion gesagt, du wärest lange nicht in Erscheinung getreten ...« Er sagte das mit dem Bewährungshelfer recht genußvoll. Dabei wußte er, daß der mit mir überhaupt nichts weiter zu tun hatte, als daß wir uns aus Kostengründen ein Büro in Aberdeen teilten.
    In das Handy brummte er grinsend: »Hier ist er!«
    Ich nahm ihm das Ding aus der Hand. Der Kidnapping-Mann teilte mir mit, ich könnte Mister Ai Wu wieder in der Plantation Road bei Miß Logan antreffen, wenn ich Sehnsucht nach ihm hätte.
    Als ich die Überraschung verdaut hatte, erkundigte ich mich: »Verletzt?«
    Â»Nein. Verdreckt.«
    Damit konnte ich nicht viel anfangen und beschloß, den Rest selbst herauszufinden. Bobby bestand darauf, daß er noch ein englisches Bier trinken wollte. One for the road, wie die ehemaligen Herren der Kolonie das immer genannt hatten, ein Ausdruck, der sich seinerzeit bedeutend schneller bei uns eingebürgert hatte als etwa der Text der Nationalhymmne vom Mutterland heute.
    Als wir auf die Straße traten, wimmelte es vor dem Hibiskus von amerikanischen Touristen. Jesus People mit Ringellocken und Perlen in Nase und Ohren. Kreuze auf der Brust. Sie sangen. Aber ich konnte leider nicht ausmachen, ob es ein Choral war oder ein unanständiger Shanty.
    Es klang an manchen Stellen wie We are leaving Khartoum by the light of the moon ... Aber ich hatte meine Zweifel, daß Amerikaner das singen würden, es war so englisch wie Elizabeth.
    Verdreckt war Ai Wu nicht mehr, als wir ankamen, er hatte in der Zeit, in der wir uns durch die verschiedenen Staus bis zum Peak durchgekämpft hatten, gebadet, und Miß Logan ließ uns sogar wissen, er habe mit Heißhunger drei Portionen Instant-Schnellnudeltaschen vertilgt, etwas anderes sei leider nicht gleich greifbar gewesen.
    Ai Wu bestätigte das. Als er Bobby sah, zögerte er mit seinem Bericht, bis ich ihm eingeredet hatte, dies sei nicht nur der Chef des Morddezernates, sondern so gut wie der wichtigste Polizeimann in ganz Hongkong. Da wurde er langsam zutraulich.
    Er hatte ahnungslos die Haustür geöffnet, als der Türgong anschlug, obwohl auch Miß Logan ihm, bevor sie wegging, noch einmal ausdrücklich eingeschärft hatte, das nicht zu tun. Draußen war niemand zu sehen gewesen, aber als er einen Schritt weiter machte und sich anschickte, die buschbewachsene Gegend vor dem Haus nach etwaigen Besuchern abzusuchen, sei ihm von hinten eine Art Sack über den Kopf gestülpt worden. Er habe nichts mehr sehen können, glaube aber, es seien zwei Männer gewesen, die ihn zur Straße dirigierten und in ein Auto packten. Einer habe ihn gewarnt, laut zu werden. Dann habe der andere unter den Sack gegriffen und ihm den Mund mit einem zähen Klebestreifen verschlossen.
    Der Mann habe gesagt: »Wir werden dir bis zu deinem jämmerlichen Lebensende keine Ruhe mehr lassen, du Bastard!«
    Â»Keine Geldforderung?« wollte Bobby wissen.
    Der Schauspieler schüttelte den Kopf, und Bobby meinte: »Das klingt nicht nach Kidnapping mit anschließender Erpressung.«
    Mir gefiel nicht, wie Ai Wu reagierte. Daß er die Leute nicht erkannt hatte, nahm ich ihm ab. Aber nicht seine Ahnungslosigkeit.
    Die beiden Männer waren mit ihm eine gewisse Strecke gefahren. Dann hatten sie ihn aus dem Auto gezerrt und in ein Gebüsch geworfen. Sich zu befreien sei ihm nicht gelungen, die Männer hatten ihm Hände und Füße mit stabilem Packband gefesselt. Nach zwei Tagen habe ein Gärtner ihn entdeckt, der mit der Heckenschere an den Gebüschen arbeitete. Das sei am Rande der Sportanlage von Wanchai gewesen, auf die Marsh Road zu. Wenn der Mann nicht zufällig an dem Tag dort die Sträucher gestutzt hätte, wäre Ai Wu vielleicht erst viel später gefunden worden, möglicherweise als Leiche ...
    Der Schauspieler zitterte. Man konnte ihm die Angst ansehen. Unter Polizisten sagte man: »Sie kriecht aus jeder Pore seiner Haut.«
    Â»Was tun?« suchte ich Rat bei Bobby.
    Der war unschlüssig und wollte sich zudem nicht äußern, weil Kidnapping nicht sein Ressort war. Als der Kollege vom Dezernat Menschenraub, der als erster an Ort und Stelle

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