Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)
sollte. Selber einziehen? Es verkaufen und sich was Besseres kaufen? Beides waren – logistisch wie emotional – weitreichende Entscheidungen, die sie in den letzten drei Monaten, in denen sie hin und her schwankte, immer wieder aufgeschoben hatte.
Eine weitreichende Entscheidung, hatte sie sich vor Augen gehalten. So oder so ja nichts überstürzen.
Wenn man bedachte, was sie dort gefunden hatte, erwies es sich als richtig.
Das Tor scharrte über die geteerte Einfahrt, und sie fröstelte, obwohl sich kein Lüftchen regte und es ein milder Abend war. Das Frösteln kam von dieser diffusen Angst, die das Haus vor ihr noch verstärkte.
Dies hätte für Hannah der sicherste Ort auf der Welt sein sollen. Als sie hier aufwuchs, hatte er sich auch so angefühlt, und sie war sich schmerzlich bewusst, wie kostbar das war. In all ihren Jahren bei der Polizei waren ihr so viele Kinder begegnet, die sich in ihrem Elternhaus hätten sicher fühlen sollen, es aber nicht taten – Kinder, bei denen man an den Schultern die Knochen sah, dürr, wie Skelette, mit hohlen, argwöhnischen Augen. Ihr eigener Vater dagegen hatte sie geliebt und sich um sie gekümmert. Bis vor kurzem hatte dieses Haus sie daran erinnert, und auch noch als Erwachsene war ihr, wenn sie hierherkam, diese Wärme und Geborgenheit entgegengeschlagen. Das leise, regelmäßige Ticken der Standuhr in der Diele; der Mantel ihres Vaters, den sie rauh an den Fingerknöcheln spürte, wenn sie ihren eigenen darüberhängte; das Knistern und Knacken von Brennholz hinter dem kupfernen Funkenschutz im Kamin, wo er unabhängig von der Jahreszeit immer ein Feuer brennen hatte, da er verstand, dass ein Herd in mehrfacher Hinsicht Wärme spendete.
Dieses Haus zu betreten, hatte sich immer wie eine tröstliche, vertraute Umarmung angefühlt. Es gab einen Ort, an dem sie sich so klein fühlen durfte, wie sie wollte, und trotzdem in Sicherheit war.
Jetzt nicht mehr.
Mit einem leisen metallischen Laut zog sie das Tor hinter sich zu, und es fühlte sich an, als drehte sich ein Schlüssel, sperrte sie ein und umgab sie mit etwas, das sich einmal gut angefühlt hatte, jetzt aber einen verdorbenen, fauligen Beigeschmack aufwies, vielleicht sogar gefährlich war.
Hannah öffnete die Haustür und spürte es so heftig, als hätte sie jemand geschubst.
Geh weg, schien das Haus zu sagen. Du bist hier nicht willkommen.
Sie schlüpfte aus ihrer Jacke und blickte durch die offene Tür ins Wohnzimmer. An diesem Abend brannte dort natürlich kein Feuer; sie hatte es nie wiederaufleben lassen. Die Asche auf dem Rost stammte noch von dem Abend, an dem sie ihn gefunden hatte.
Ein König, rief sie sich ins Gedächtnis.
Egal, was passiert, halte dich daran fest.
Sie ging nach oben und öffnete die Tür zu seinem Arbeitszimmer. Es war ein kleiner, aber vornehmer Raum. In der Mitte stand ein kunstvoll verzierter Schreibtisch mit einem schwenkbaren Ledersessel an der von ihr abgewandten Seite. Dahinter nahm ein Fenster fast die ganze Wand ein. Es verschwand hinter schimmernden roten Samtgardinen, die so dick und üppig waren, dass sich ein Kind dahinterstellen und sich hoffnungslos in den Falten verheddern konnte, wenn es sich nur dreimal um die eigene Achse drehte. An den übrigen Wänden waren – nur von der Tür unterbrochen, in der sie jetzt stand – Bücherregale. Und die alte Umrandung des Kamins, den ihr Vater immer öffnen wollte, ohne je dazu zu kommen.
Hannah ging zum Schreibtisch und beugte sich über das, was sie gefunden und nun schon so oft betrachtet hatte.
Diese andere Sache.
Das ging jetzt schon seit anderthalb Wochen.
Aus irgendeinem Grund, den Hannah nicht benennen konnte, hatte sich bei ihr dieses inzwischen vertraute mulmige Gefühl breitgemacht. Im Grunde war es noch schlimmer. Sie hatte regelrecht Angst und kam sich klein, verletzlich und allein vor. Als es anfing, hatte das Haus sie immer noch wie in einer Umarmung willkommen geheißen – oder sie wohl eher zum Abschied noch einmal gedrückt –, und so war sie hierher zurückgekehrt und hatte getan, was ihr zu diesem Zeitpunkt harmlos und natürlich vorgekommen war. Sie war hierherauf in dieses Zimmer gekommen, um sich ihrem Vater näher zu fühlen, an ihn zu denken und sich ein wenig von der Rückendeckung zu holen, die er ihr ein Leben lang gegeben hatte.
Du bist Hannah Price, Tochter von DS Colin Price.
Und das heißt, du kannst alles schaffen, was du willst.
Nach einer Weile hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher