Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)
befand sich an einer der Holzplanken eine Plakette mit der Aufschrift:
In liebendem Gedenken an Lorraine und Kent Haggerty
»Die Stadtverwaltung hielt nach Spenden Ausschau. Es war nicht viel, aber immerhin besser als gar nichts.« Er legte den Kopf schief und starrte auf die Bank. Dann lächelte er. »Kommen Sie, setzen wir uns.«
Wir nahmen Platz. Ich beugte mich ein wenig vor und rieb unschlüssig die Hände. Die Plakette in meinem Rücken fühlte sich wie eine glühende Schaltfläche an, und es wäre mir nicht richtig erschienen, mich daran anzulehnen.
»Es tut mir wirklich leid.«
»Danke.« Er nickte. »Aber es ist inzwischen lange her.«
So wie er es sagte, klang es nicht ganz glaubhaft. Jedenfalls konnte ich mir nicht vorstellen, je so weit zu kommen, dass ich so etwas sagen könnte.
»Sind Sie wieder verheiratet?«, fragte ich.
»Nein, nein.« Er lachte verhalten. »Jedenfalls noch nicht so ganz. Ich lebe mit jemandem zusammen, aber wir sind nicht verheiratet. Vielleicht irgendwann.«
»Ich wollte nicht aufdringlich sein.«
»Nein, sie ist sehr verständnisvoll. In einer Beziehung mit mir geht das auch gar nicht anders.« Noch ein verhaltenes Lachen. »Aber verständlicherweise setzt ihr das alles ein bisschen zu. Deshalb bin ich mit Ihnen hierhergegangen. Sie weiß, dass es für mich wichtig ist, und sie sagt auch nichts, aber … na ja, sie muss es nicht unbedingt hören, nicht wahr?«
»Nein, vermutlich nicht.«
Wieder schwang in seiner Stimme etwas mit, das seinen Worten mehr Gewicht verlieh. Sie muss es nicht unbedingt hören, aber ich muss es unbedingt sagen.
»Mein Vater wollte mit Ihnen über Lorraine und Kent sprechen«, fing ich an. »Über das, was mit ihnen geschehen ist.«
»Ja. Wie kommt er denn mit seinem Buch voran?«
Ich schwieg.
»Mein Vater ist gestorben.«
»O Gott. Das tut mir furchtbar leid.« Haggerty sah mich entsetzt an und schüttelte dann, völlig durcheinander, den Kopf. »Was ist passiert? War es …«
»Ein Unfall«, sagte ich schnell. Für den Augenblick schien es die sicherste Antwort zu sein. »Es ist letzte Woche passiert – und es hatte nichts mit dem zu tun, woran er arbeitete. Bis gestern wusste ich nicht mal, dass er überhaupt an etwas arbeitete.«
»Das tut mir leid«, wiederholte Haggerty. »Er schien ein liebenswürdiger Mann zu sein.«
»Danke. Das war er auch.«
»Und ich verstehe, was Sie meinen. Wenn man jemanden verliert, stellt man sich all diese Fragen, nicht wahr? Manchmal hilft es und manchmal nicht.«
»Dann sind Sie meinem Vater persönlich begegnet?«
»Ein paar Mal. Er hat an einem neuen Buch gearbeitet; deshalb wollte er mit mir reden. Er hatte sich noch nicht entschieden, ob es ein Roman oder ein Sachbuch werden soll. Er war sehr höflich, wissen Sie. Sehr respektvoll.«
Ich nickte. Roman oder Sachbuch. Bei meinem Vater hatte es da nie klare Grenzen gegeben, nur dass er in der Vergangenheit scheinbar immer nur über sich selbst geschrieben hatte, während es diesmal so aussah, als hätte er auch das Leben anderer als Inspirationsquelle ausgeschlachtet.
»Ein Teil seiner Recherchen galt Ihrer Familie, stimmt’s?«
Anhand der Zeitungsartikel, die ich online gefunden hatte, wusste ich ein bisschen darüber, was mit Haggertys Frau und seinem Sohn passiert war. Über die blanken Tatsachen wusste ich vermutlich fast so viel wie er.
»Ja«, sagte er. »Es ging um Lorri und Kent. Die Familie, die ich mal hatte.«
Vor zehn Jahren war Andrew Haggerty ein erfolgreicher Immobilienmakler in einer Stadt namens Thornton gewesen, die ein Stück landeinwärts von Huntington und Whitkirk, aber immer noch auf derselben Seite des Straßenatlas lag. Andrews Frau Lorraine war nicht berufstätig gewesen und hatte sich um den gemeinsamen Sohn Kent gekümmert, bis Andrew eines Dienstags spät von der Arbeit nach Hause kam und feststellte, dass seine Frau und sein Kind nicht mehr da waren.
Auch das Auto fehlte – ein gewisser Trost –, doch es gab nicht den geringsten Grund, weshalb sie so spät noch weg sein sollten, und Lorraine hatte ihm keinen Zettel hinterlassen, um ihm Bescheid zu geben, wo sie hingefahren seien, was ihr überhaupt nicht ähnlich sah. Andrew rief nun hintereinander die verschiedenen Freunde und Familienmitglieder an, die vielleicht wussten, wo sie war, doch niemand hatte eine Ahnung.
Schließlich rief er die Polizei.
»Zuerst haben sie mich nicht ernst genommen«, sagte er. »Können Sie sich das vorstellen?«
Nur
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