Schwarze Diamanten (Bruno Bd 3)
Listen eingetragen sind, die uns hier vorliegen.
Es soll schließlich alles demokratisch und transparent zugehen.“ Alphonse gab
noch ein paar Erklärungen zum Ablauf der Veranstaltung und sagte dann: „Wir
alle schätzen Gerard Mangin sehr, aber er amtiert nun schon so lange als unser
Bürgermeister, dass ein Wechsel überfällig ist. Darum möchte ich euch nun
unseren gemeinsamen Kandidaten vorstellen. Er ist in Saint-Denis geboren und
aufgewachsen und in seinen politischen Zielen ebenso grün wie sozialistisch -
Guillaume Pons.“
Der Unterschied zwischen Alphonse und der dynamischen, schneidigen
Erscheinung des jungen Pons, der sich mit aufgeknöpftem weißem Hemd
präsentierte, hätte kaum größer sein können. Es war, als verkörperten die
beiden zwei zeitversetzte politische Welten, Alphonse die der trockenen,
wertkonservativen Gesinnung, Pons die des schillernden politischen Marketings.
Bruno glaubte spüren zu können, wie sich eine Welle knisternder Erwartung ausbreitete,
als Pons auf einen der drei Stühle stieg und sich von Alphonse das Mikrofon
reichen ließ.
„Könnt ihr mich sehen?“, fragte er und erntete lautes Gejohle. „Könnt
ihr mich hören?“ Erneutes Gejohle. „Ich grüße euch, Grüne, Sozialisten,
Kommunisten und Monarchisten. Ihr seid alle herzlich willkommen,
vorausgesetzt, ihr werdet kein Sägewerk ausgerechnet da hinzustellen versuchen,
wo wir unsere Kinder aufziehen wollen.“
Wieder wurde gejohlt, jetzt vor allem aber auch gelacht. Bruno begann
sich für den jungen Mann zu erwärmen, der auf eine Weise auftrat, wie man sie
in Saint-Denis nicht häufig erlebte. Kaum eine Minute war vergangen, und schon
hatte Pons die Menge mit seinem Charme für sich eingenommen. Selbst die alten
Linken, die der gemeinsamen Sache mit den Grünen mehr als skeptisch gegenüberstanden,
schmunzelten.
„Verzeihung, jetzt muss ich euch mit unserem Programm langweilen, auf
das wir uns geeinigt haben. Aber es ist von großer Bedeutung für unsere Kinder
und unsere Stadt.“ Er legte eine Pause ein. „Und wenn ihr euch über die
nächsten zehn Minuten nicht gut unterhalten fühlt, denkt bitte daran, dass wir
über zehn Stunden daran gearbeitet haben.“
Erneutes Gelächter. Dann kehrte respektvolle Stille ein, als Pons die
zehn Programmpunkte erläuterte. Bruno war mit keinem der Vorschläge
einverstanden, was auch Bürgermeister Mangin nicht sein würde oder irgendein
anderer Politiker in Frankreich. Es handelte sich um eine Liste von Plattitüden
zu den Themen Arbeit, Umwelt, Steuern und Ausbildung. Bruno konnte darüber nur
den Kopf schütteln.
„Er ist ein guter Redner“, murmelte Pamela, den Blick auf Pons geheftet.
Neben ihr stand Fabiola, die Bruno ansah und die Augen verdrehte. Er zwinkerte
ihr zu, erleichtert darüber, dass er offenbar nicht der Einzige war, der dieses
Manifest alles andere als überzeugend fand.
„Manche von euch werden vielleicht sagen, unser Programm sei nicht
detailliert genug. Stimmt“, fuhr Pons fort und raufte sich die ohnehin schon
struppigen Haare. „Was ich hier vorgetragen habe, ist auch nur der Kanon
unserer verbindlichen Grundsätze - ich betone: verbindlich -, oder anders
ausgedrückt, das moralische und politische Fundament unserer Bemühungen und
somit maßgeblich für all unsere Entscheidungen, die wir als Mitglieder des
Stadtrates treffen werden.
Ich kann heute noch nicht vorhersagen, was auf uns zukommt, zum
Beispiel in Form neuer Vorschriften aus Paris oder Brüssel. Niemand weiß, was
uns vom Regionalrat in Sachen öffentlicher Wohnungsbau und Raumplanung abverlangt
wird. Aber wir können euch heute schon versprechen, dass wir uns immer an die
hier vorgetragenen Grundsätze halten werden. Wichtig sind uns auch eure Jobs
und die Luft, die unsere Kinder atmen.“
„Und warum stehe ich jetzt ohne Arbeit da? Dass das Sägewerk geschlossen
wurde, ist doch euch zu verdanken“, rief jemand aus der Menge. Bruno drehte
sich um und erkannte Marcel, den ehemaligen Vorarbeiter des Sägewerks.
„Nein, unsere Gerichte haben so entschieden“, entgegnete Pons. „Wir
sind Kompromiss um Kompromiss eingegangen, um das Sägewerk zu retten und eure
Jobs zu sichern. Wir haben sogar angeboten, dieses fragliche Stück Land
aufzukaufen, damit das Sägewerk rechtmäßig betrieben werden kann. Jeder weiß
doch, wer uns hat hängenlassen. Was haben wir, ich meine jeder Steuerzahler,
nicht alles getan, damit die Arbeitsplätze erhalten bleiben? Von
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