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Schwarze Engel

Schwarze Engel

Titel: Schwarze Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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nicht eingesetzt – die kühle Nachtluft verlangsamte den Prozeß. Auch auf der Handfläche befanden sich keine Pulverspuren. Bosch stellte ein paar Berechnungen an. Keine Verbrennungen auf der Handfläche bedeuteten, daß die Schußwaffe mindestens einen Meter von der Hand entfernt gewesen war, als der Schuß abgefeuert wurde. Wenn Elias den Arm mit erhobener Handfläche ausgestreckt hatte, bedeutete es einen zusätzlichen Meter.
    Inzwischen waren auch Edgar und Rider bis zur zweiten Leiche vorgedrungen. Bosch spürte, daß sie hinter ihm standen.
    »Etwa eineinhalb Meter Entfernung«, sagte er, »durch die Hand und trotzdem genau zwischen die Augen. Der Kerl kann schießen. Denkt daran, wenn wir ihn fassen.«
    Keiner von beiden antwortete. Bosch hoffte, sie hörten aus seiner letzten Bemerkung nicht nur die Warnung heraus, sondern auch die Zuversicht. Er wollte die Hand des Toten gerade auf den Boden zurücklegen, als er den langen Kratzer am Handgelenk und an der Handkante bemerkte. Vermutlich war Elias die Verletzung beigebracht worden, als ihm die Uhr abgestreift worden war. Bosch untersuchte die Wunde sorgfältig. In der Furche war kein Blut. Es war ein sauberer weißer Riß in der Oberfläche der dunklen Haut, der jedoch so tief aussah, daß er geblutet haben müßte.
    Bosch dachte kurz nach. Alle Schüsse waren auf den Kopf abgegeben worden, keiner aufs Herz. Die Blutverteilung an den Wunden deutete darauf hin, daß das Herz mindestens noch ein paar Sekunden weitergeschlagen hatte, nachdem Elias zu Boden gefallen war. An sich müßte der Täter Elias die Uhr sehr kurz nach den tödlichen Schüssen vom Handgelenk gerissen haben – es dürfte kein Anlaß für ihn bestanden haben, noch länger am Tatort zu bleiben. Doch der Kratzer am Handgelenk hatte nicht geblutet. Es sah so aus, als wäre er ihm erst beigebracht worden, als das Herz schon einige Zeit zu schlagen aufgehört hatte.
    »Was hältst du von dem Bleiklistier?« Es war Hoffman, der Bosch aus seinen Gedanken riß.
    Als Hoffman Platz machte, stand Bosch auf und ging vorsichtig um die Leiche herum, bis er unten bei den Füßen war. Er ging wieder in die Hocke und sah sich die dritte Schußwunde an. Der Hosenboden war mit Blut vollgesogen. Trotzdem konnte Bosch an der Stelle, wo die Kugel durch den Stoff in Howard Elias’ Anus gedrungen war, einen Riß und Verbrennungsspuren sehen. Die Waffe war tief in die Nahtstelle der Hose gedrückt und dann abgefeuert worden. Ein gemeiner Schuß, Ausdruck von Wut und Haß und keinesfalls ein Gnadenschuß. Er stand in krassem Gegensatz zur kühlen Routine der übrigen Schüsse. Außerdem verriet er Bosch, daß sich Garwood getäuscht hatte, was die Reihenfolge der Schüsse anging. Ob sich der Captain darüber im klaren war, wußte er nicht.
    Er stand auf, ging rückwärts zur hinteren Tür des Wagens und blieb an der Stelle stehen, wo der Schütze vermutlich gestanden hatte. Er sah sich das Blutbad noch einmal an und nickte – eine Geste, die niemandem speziell galt, sondern nur dem Zweck diente, sich alles einzuprägen. Edgar und Rider waren noch zwischen den beiden Leichen und machten ihre eigenen Beobachtungen.
    Bosch drehte sich um und sah die Gleise zur Talstation hinunter. Die Detectives, die er zuvor dort gesehen hatte, waren weg. Jetzt standen nur noch ein einsamer Streifenwagen und zwei Streifenpolizisten herum, die den unteren Tatort bewachten.
    Bosch hatte genug gesehen. Er zwängte sich an den Leichen und, mit der gleichen Vorsicht wie zuvor, an Sally Tam vorbei und kehrte auf die obere Einstiegsplattform zurück. Seine Partner folgten ihm. Edgar kam dabei Tam näher als unbedingt nötig.
    Um sich ungestört mit seinen Partnern unterhalten zu können, entfernte sich Bosch ein Stück vom Waggon.
    »Was denkt ihr?« fragte er.
    »Ich denke, sie sind echt«, sagte Edgar mit einem Blick zurück auf Tam. »Sie haben diesen natürlichen Neigungswinkel. Was meinst du, Kiz?«
    »Sehr witzig«, sagte Rider, ohne auf den Köder anzubeißen. »Könnten wir bitte über den Fall sprechen?«
    Bosch bewunderte Rider für die Gelassenheit, mit der sie Edgars unablässige Frotzeleien und sexuelle Anspielungen mit irgendeiner sarkastischen Bemerkung abschmetterte. Diese Frotzeleien konnten Edgar in ernste Schwierigkeiten bringen, aber nur, wenn Rider offiziell Beschwerde einlegte. Der Umstand, daß sie es nicht tat, hieß, sie traute sich entweder nicht oder sie konnte damit leben. Außerdem wußte sie, wenn sie es

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