Schwarze Jagd - Wooding, C: Schwarze Jagd - Black Lung Captain (Book 2)
Weg hat mich gewählt, nicht umgekehrt.«
»Aber ich meine … du bist doch reich, oder? Auch ohne deine Familie. Du könntest dein Schiff verkaufen und dich zurückziehen. Alles tun, was du willst.«
Sie lachte ein wenig. »Was denn? Bienen züchten? In meiner Villa herumwerkeln und mir die Blumen ansehen?«
»Du könntest lesen. Du hast immer gern gelesen.«
Trinica warf ihm einen Blick zu, in dem sich Nachsicht und Herablassung zu gleichen Teilen mischten. »Ich glaube eher, wir reden hier über dich und nicht über mich.«
Sie hatte recht. Anfangs war es nur ein müßiger Gedanke gewesen, aber es hatte die ganze Zeit in eine bestimmte Richtung geführt. Er verschränkte die Finger hinter dem Kopf und suchte nach einem Weg, das Gefühl der Leere und Orientierungslosigkeit zu erklären, das er seit dem Beginn dieser ganzen Geschichte verspürte.
»Lass mich raten«, sagte Trinica. »Du suchst etwas, aber du weißt nicht, was es ist.«
Er war erstaunt, dass sie es so prägnant zusammengefasst hatte. »Woher weißt du das?«
»Weil du es sagst, seit du siebzehn bist.«
Frey sah sie verdutzt an. »Wirklich?«
»Ja!«, sagte sie. »Als wir uns kennengelernt haben, bist du für meinen Vater geflogen. Du hattest dich bis zum Hals mit Hypotheken belastet, um dir einen gebrauchten Rosteimer namens Ketty Jay zu leisten, hast es aber schon bereut, weil du beschlossen hattest, zur Marine zu gehen und eine Fregatte zu fliegen.«
Frey erinnerte sich undeutlich daran, dass er tatsächlich irgendwann zur Marine gewollt hatte, aber es kam ihm jetzt unvorstellbar vor.
»Dann bist du zu dem Schluss gelangt, dass du in mich verliebt bist, und wolltest für immer mit mir zusammen sein, und wir alle wissen, was daraus geworden ist.«
Erneut klang ihr Ton weder verletzt noch anklagend. Nur sachlich und nüchtern. Er war ein wenig beleidigt, dass sie so locker darüber sprechen konnte.
Plötzlich fiel es ihm wieder ein. »Ich bin zur Marine gegangen! Im Zweiten Aerium-Krieg. Versorgungsflüge zur Front.«
»Du bist nicht zur Marine gegangen«, sagte sie. »Du hast einen Haufen wahnsinnig gefährlicher Aufträge übernommen, mit der Absicht, dich umbringen zu lassen. Und als es dir beinahe gelungen wäre, hast du der Marine die Schuld daran gegeben, und seitdem hasst du sie.«
Da hatte sie ihn erwischt. Er versuchte, sich eine Erwiderung einfallen zu lassen, aber vergeblich.
»Tut mir leid, Darian. Ich will keine alten Geschichten aufwärmen, sondern nur etwas Bestimmtes sagen: Du weißt nicht, was du willst. Du hast es noch nie gewusst.«
Frey dachte an Amalicia Thade und seine Flucht vor einem Luxusleben mit einer schönen Frau. »In der Theorie sieht alles immer so viel schöner aus als in der Praxis. Ich wollte sogar eine Zeitlang Pirat sein, ein echter Pirat. Aber wie sich herausstellt, bin ich einfach nicht kaltblütig genug. Nimm’s mir nicht übel.«
»Schon gut«, sagte sie und trank einen Schluck Kaffee.
»Vermutlich muss man irgendwann einfach mal eine Entscheidung treffen und dabei bleiben«, sagte er ohne rechte Überzeugungskraft. »Muss das Beste aus den Dingen machen.«
»Sagt man, ja.«
»Kommt einem nicht ganz fair vor, oder? All diese
Kompromisse. Nie kriegt man so richtig, wovon man geträumt hat.«
»Niemand kriegt, wovon er träumt, Darian. Deshalb nennt man es ja Träume.«
»Meinst du?«
»Selbst wenn man alles bekäme, was man je wollte, wäre es selten das, was man sich darunter vorgestellt hat. Die Reichen sind genauso unglücklich und neurotisch wie die Armen. Nur auf andere Weise.« Sie senkte den Blick auf die schwarze Oberfläche ihres Kaffees. »Man kann nicht vor sich selbst fliehen.«
»Was soll das nun wieder heißen?«
»Wohin du auch gehst und was immer du tust, du bist und bleibst du. Du kannst deine Umgebung wechseln, ein neues Leben anfangen, aber du wirst immer in dieselben alten Muster verfallen, dir dieselbe Sorte von Freunden zulegen, dieselben Fehler machen. Du musst dich selbst ändern.«
»Was soll denn mit mir nicht stimmen?«, protestierte Frey entrüstet.
»Ich meine das ganz allgemein. Man muss sich selbst ändern.«
»So wie du’s getan hast?«
»So wie ich es getan habe.«
»Und bist du nun glücklicher?«
»Nein«, sagte sie. »Aber ich lebe noch.«
Sie schenkte ihm ein trauriges Lächeln. Frey wurde von einer Woge der Zuneigung überrollt. Dieses Lächeln erweckte in ihm den Wunsch, sie in die Arme zu nehmen, sie vor allen Gefahren zu beschützen,
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