Schwarze Madonna
war aus hellem, spiegelndem Marmor. Ziemlich weit von der Tür entfernt gruppierten sich vier hochmoderne Sessel aus weißem Leder um einen Glastisch, auf dem ein Tablett mit Gläsern und Getränken stand. Aber es war nicht die teure Einrichtung, die Justus und Peter den Atem verschlug.
Es waren die Statuen.
An den Wänden entlang standen mindestens hundert Frauenfiguren, manche nur einen halben Meter, andere mehr als drei Meter hoch. Da gab es langbeinige afrikanische Gestalten aus schwarzem Holz, asiatische Stabpuppen, indische, griechische und römische Göttinnen, aztekische gerade noch als weiblich zu erkennende Götzen, dickbauchige russische Steckfiguren, uralte Muttergottheiten ohne Köpfe, seltsam gerundete moderne Plastiken und drei geschnitzte europäische Madonnenfiguren. Es war ein wirres Durcheinander verschiedenster Kulturen und Kunstrichtungen, und manche der Figuren wurden von anderen verdeckt, so dass Justus und Peter nur ahnen konnten, wie viele es tatsächlich waren. Bilder oder Pflanzen gab es in diesem Wohnzimmer nicht. Die Wände waren weiß bis zur Decke. Dadurch entstand trotz der Sessel der Eindruck, dass dieser Raum eigentlich gar nicht bewohnt war.
Mr Pentecost ließ den beiden ?? Zeit, sich umzusehen. Er ging zu der Sitzgruppe und setzte sich in einen der Sessel. Justus und Peter rissen sich von der Betrachtung der Figuren los und folgten ihm.
»Wie viele sind es?«, fragte Justus. »Ungefähr hundertdreißig?«
»Hundertzweiunddreißig«, sagte Mr Pentecost. »Gefallen sie euch?«
»Sie stehen zu dicht beieinander«, sagte Justus kritisch. »Jede einzelne müsste genug Platz haben, damit man sie genau betrachten kann.«
»Stimmt. Aber dann müsste ich sie über das ganze Haus verteilen und hätte sie nicht alle um mich.« Mr Pentecost beugte sich vor und goss Fruchtsaft in zwei Gläser, die er Justus und Peter anbot. »Also jetzt erzählt mal, warum ihr gekommen seid.«
»Wir möchten Sie nach einem ehemaligen Mitarbeiter fragen«, erwiderte Justus. »José Santanda. Er war doch Fahrer bei Ihnen, nicht wahr?«
»Ja, das ist richtig. Ich musste ihn leider entlassen, weil die Auftragslage schlecht war.«
»Haben Sie gehört, was ihm zugestoßen ist?«
»Ja. Schrecklich. Es gibt nur noch Bosheit in der Welt.«
»Die Polizei erzählte uns, dass Sie sagten, Sie würden José wieder einstellen, wenn es ihm besser geht.«
»Stimmt, das habe ich angeboten. Ihr scheint ja gute Kontakte zur Polizei zu haben. Und ich glaube, ich habe auch schon von euch gehört. Habt ihr schon einmal in der Zeitung gestanden?«
»Ja«, sagte Justus. »Zuletzt am Sonntag in der ›Carino Daily Post‹, deren Herausgeber Sie sind. Dort wurden wir von einem Ihrer Mitarbeiter verleumdet, in Josés Wohnung eingebrochen zu sein.«
Mr Pentecost zog die Augenbrauen hoch, was seltsam aussah, da er keine hatte. Aber er sagte nur: »Wie ärgerlich. Stimmt es denn nicht?«
»Nein, es stimmt nicht. Zumindest stimmt es nicht, dass Peter José erst rettete und ihm dann den Schlüssel entwendete.«
»Aber es stimmt, dass ihr in der Wohnung wart?«
Justus lehnte sich zurück. Er merkte, dass Peter ihm einen raschen Blick zuwarf, erwiderte ihn aber nicht. Mit Mr Pentecost würde er vorsichtig umgehen müssen. Irgendetwas an diesem dicken kleinen Mann verursachte ihm eine Gänsehaut … aber vielleicht war es auch nur die Vorstellung, tagaus, tagein von diesen vielen blinden Augen beobachtet zu werden. »Es kommt gar nicht darauf an, ob wir in der Wohnung waren oder nicht«, sagte er. »Tatsache ist, dass Ihr Mitarbeiter B.S. uns verleumdet hat. Wie ist übrigens sein voller Name?«
»Es tut mir sehr Leid«, sagte Mr Pentecost und schüttelte bedauernd, aber mit einem feinen Lächeln den Kopf. »Mir sind nicht alle freien Mitarbeiter der ›Carino Daily Post‹ bekannt.«
»Ich verstehe«, sagte Justus höflich. »Wir haben außerdem erfahren, dass Sie nicht nur Herausgeber und Sammler sind, sondern auch ein großzügiger Spender des Arts & Crafts Museums am Wilshire Boulevard. Sie haben all diese Repliken bezahlt, die nach den Diebstählen angefertigt wurden, nicht wahr?«
»Das ist richtig«, sagte Mr Pentecost nach einer kurzen Pause lächelnd. »Ich bin ein großer Kunstliebhaber und es missfiel mir, dass die interessierte Öffentlichkeit auf den Genuss dieser Kunstwerke verzichten sollte.«
»Ach ja«, sagte Justus. »Und wie haben Sie das gemacht? Ich meine, woher wusste diese Künstlerin S. Manning, wie
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