Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
gegen die Polster schlug, als er jedoch bemerkte, dass sie sich nicht wehrte, sondern schlaff in seinen Armen hing, ließ er sie los und setzte sich auf seinen Platz zurück. Violet hatte die Hände vors Gesicht genommen und schluchzte hilflos.
„Hören Sie auf zu heulen“, knurrte er. „Wir reden morgen weiter. Dann sind Sie hoffentlich wieder bei Verstand.“
Als sie vor seinem Haus in der Warwick Street anhielten, stieg er aus und bot Violet die Hand, um ihr behilflich zu sein. Doch sie kletterte ohne seine Hilfe aus der Kutsche und ging schweigend an ihm vorüber zur Haustür. Er folgte ihr mit finsterer Miene und stieß einen leisen Fluch aus, als sie eilig durch die Halle lief und die Treppe in den zweiten Stock hinaufstieg.
Violet schloss sich in ihrem Zimmer ein, zog hastig die Vorhänge vor und sank dann schluchzend auf ihr Bett. Was hatte sie denn nur falsch gemacht? Sie hatte sich wirklich alle Mühe gegeben, seinen Anweisungen zu folgen. Warum diese boshaften Unterstellungen? Diese Beleidigungen?
Alle Männer hätten ihr nachgestellt? Was ging es ihn überhaupt an? Es war seine Idee gewesen, sie als seine Verwandte auszugeben.
Man könnte glauben, er sei eifersüchtig, schoss es ihr in den Sinn. Der Gedanke war verwegen und natürlich entbehrte er jeder Grundlage. Weshalb sollte Nicholas Marlow um ihretwegen eifersüchtig sein? Und doch ließ diese Vorstellung ihr Herz rascher schlagen.
Lag ihm etwa doch etwas an ihr? An ihr persönlich?
Wenn ja, dann hat er eine sehr merkwürdige Art, seine Zuneigung zu zeigen, dachte sie. Vermutlich ist es nur seine herrische Art – er will seine Angestellten ganz und gar dominieren und mag es nicht, wenn sie von anderer Seite Komplimente hören.
Sie schaltete die Gasbeleuchtung ein und begann, sich zu entkleiden. Sorgfältig hängte sie das neue Kleid in den Schrank, zog die Unterwäsche aus und vermied es, in den Spiegel zu sehen, während sie für einen Moment völlig nackt war. Sie schlüpfte in das weite, lange Nachthemd, band die Schleifen fest und löste dann das aufgesteckte Haar. Sie war zu müde, um es für die Nacht zu flechten, sondern ließ es einfach in wilden Locken um die Schultern hängen. Erschöpft kroch sie in ihr Bett, kauerte sich unter der Decke zusammen und schloss die Augen.
Doch anstatt in Schlaf zu sinken, erfüllten süße Vorstellungen ihre Fantasie. Sie erinnerte sich daran, wie Marlow den Arm um sie gelegt hatte, um sie von Parker fort auf die andere Seite des Raumes zu führen. Es hatte etwas Besitzergreifendes an sich gehabt, und sie spürte dabei einen wohligen Schauer. Konnte es sein, dass es ihr gefallen würde, Marlows Besitz zu sein?
Ein leises Geräusch störte sie in ihren Träumereien. Es schien aus dem Flur zu kommen und klang, als würde ein Gegenstand über den Teppich schleifen. Gleich darauf war auch ein Knarren zu hören und die alten Holzdielen knackten, als senkten sie sich unter einer Last. Sie drehte sich auf die andere Seite und überlegte, ob Charles oder Maggy sich vielleicht im Flur zu schaffen machten. Doch es war bereits sehr spät und das Personal ganz sicher längst zu Bett gegangen.
Die Fußspuren, die Charles ihr gezeigt hatte, fielen ihr wieder ein. Konnte es gar sein, dass Maggy und Charles sich heimlich in der Kammer trafen? Dort, wo diese scheußlichen, obszönen Statuen herumstanden?
Sie setzte sich im Bett auf und zündete eine Kerze an. Immerhin war sie die Hausdame und hatte die Verantwortung für das Geschehen im Haus. Falls es Charles tatsächlich einfallen sollte, das Hausmädchen in der Kammer zu verführen, dann würde sie das auf keinen Fall dulden. Schon deshalb nicht, weil sie Mitleid mit Mrs. Waterbrook hatte.
Sie legte ein wollenes Umhängetuch um die Schultern, nahm die Kerze in die Hand und ging auf leisen Sohlen zur Tür. Der Schlüssel knirschte leise im Schloss, als sie ihn umdrehte, sie zog die Tür langsam auf und hielt dann rasch die Hand vor die flackernde Kerze.
Der Flur war dämmrig, durch das kleine Fenster fiel ein blasser, milchiger Schein, der gleich wieder erlosch, als sich eine Wolke vor den Mond schob. Die Kerze zog einen unruhigen, viel zu kleinen Lichtkreis und ließ unförmige Schatten an den Wänden wachsen.
„Maggy?“
Niemand antwortete. Nur ein leises Rascheln war zu vernehmen, das auch von einer erschreckten Maus stammen konnte. Violet lief eine Gänsehaut über den Rücken – sie hatte keine Schuhe an, der Gedanke, dass eine Maus ihr über die
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