Schwarze Rosen
waren, Verschiedenes hinzugedichtet.
Als Ferrara dagegen die Lokalblätter sah, wunderte er sich. Nicht eine einzige Zeile über Giovanna Innocentis Tod auf den Titelseiten. Die Meldung war irgendwo mittendrin untergebracht, beschränkt auf ein, zwei Spalten:
Mord in San Frediano
Darüber hinaus wurde die Tote lediglich mit Initialen genannt, was sonst nur bei minderjährigen Opfern üblich war.
Nirgends ist die Rede von der schwarzen Rose und den Handschellen, stellte er fest, musste sich jedoch korrigieren, als er auf Il Terreno stieß. Dort wurde über diese Details berichtet. Offenbar hatte der Reporter eine zuverlässige Quelle, und der Chefredakteur war entweder nicht unter Druck gesetzt worden oder so mutig gewesen, sich darüber hinwegzusetzen. Im letzten Absatz wurde darüber spekuliert, dass der Täter ein verkommenes Subjekt sein müsse oder jedenfalls ein sexuell frustriertes oder auch ein Psychopath auf der Jagd nach starken Emotionen. Man verstieg sich sogar zu einem Profil: männlich, zwischen zwanzig und dreißig, er führte ein Doppelleben …
Ferrara öffnete das Fenster, er brauchte frische Luft. Und das war noch nicht alles. Kaum blätterte er weiter in der Zeitung, zuckte er vor einer Überschrift zurück, als hätte sie ihn angesprungen.
Leichenschändung: Eine gezielte Drohung?
… Vor Kurzem erreichten die Redaktion außerdem neue Infor m ationen über die Substanz, die im Sarg der geschändeten Leiche gefunden wurde. Die Analysen haben ergeben, dass es sich um fast vollständig verbrannten Tabak handelt, und zwar um gepresste Blätter für Zigarren. Knapp einunddreißig Milligramm mit einem sehr geringen Nikotinanteil. Zu verdanken ist diese Entdeckung den Fachkenntnissen der Laborexperten, die das Material speziellen Untersuchungen mit hochentwickelten Geräten unterzogen haben … In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Leiter der hiesigen Squadra Mobile, Michele Ferrara, als leidenschaftlicher Zigarrenraucher bekannt ist. Handelt es sich etwa um eine an ihn gerichtete Warnung oder Drohung? Es ist wohl noch zu früh, um eindeutige Schlüsse zu ziehen, doch die Wahrscheinlichkeit besteht …
Vergeblich suchte der Commissario nach einer Verfasserangabe.
Er stand wieder auf und fluchte vor sich hin. »Diese verdammten Scheißexperten! Das waren sie! Das kann nur von denen gekommen sein, die das Beweismaterial untersucht haben. Sogar das Gewicht haben sie verraten, einunddreißig Milligramm! Arschlöcher!«
Ferrara ließ die Faust auf den Schreibtisch niedersausen, sodass einige Unterlagen herunterflogen. Er war außer sich. Schließlich hob er die Seiten auf und rief den Sekretär zu sich. »Fanti!«
»Zu Befehl, Chef.«
Nestore Fanti hatte Ferraras Toben gehört und kam herbeigesaust wie eine Rakete.
»Ich will wissen, wer das ausgeplaudert hat. Hast du zufällig eine Ahnung?«, fragte Commissario Ferrara und hielt ihm den Artikel hin. Vielleicht wollte er nur sichergehen, dass es niemand aus seiner Dienststelle war.
Fanti warf einen flüchtigen Blick auf die Zeitung und stammelte, aschfahl und noch hohlwangiger als sonst: »Iiich?«
»Ich sag ja nicht, dass du es warst. Stell dich nicht dümmer, als du bist!«
»Sie wissen doch, dass ich nicht rede, ich bin verschwiegen wie ein Grab.«
»Weiß ich, weiß ich. Aber hast du vielleicht mal mitbekommen, wie irgendein Kollege mit einem der Reporter gesprochen hat? Mit einem von denen, die sich in den Gängen des Präsidiums herumtreiben und uns auch noch hier ständig im Weg sind?«
Der Sekretär entspannte sich sichtlich. Man konnte alles gegen ihn sagen – dass er als Ermittler draußen auf der Straße nichts taugte, dass er keine anständigen Berichte an die Justizbehörde schreiben konnte –, aber nicht, dass er dem Chef gegenüber nicht loyal wäre. Nestore Fanti verhielt sich stets ausgesprochen zugeknöpft gegenüber anderen, was so weit ging, dass er hier und da schon beinahe mit Kollegen in Streit geraten wäre, die nur wissen wollten, wo der Commissario sich aufhielt. Manchmal leugnete er sogar die Tatsachen, um sich nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen.
»Nein, ich habe nichts bemerkt, Capo. Sie wissen, dass ich mich nur um meine Arbeit kümmere.«
»Schon gut, Fanti, du kannst gehen.«
Der Sekretär schlich hinaus wie ein geprügelter Hund. Er setzte sich wieder an seinen Computer und richtete den Blick auf die lächelnden Gesichter der beiden Frauen, die er als Bildschirm-Hintergrund
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